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ein Kleinwagen nach dem anderen rollte durchs Dorf, fast alle Fahrer stiegen aus,
um auf dem Weg zur Arbeit noch schnell einen Kafee zu trinken. Als Leser hat
man jetzt sicher das typische Bild vor Augen, Männer, die in kleinen Grüppchen
am Tresen stehen und palavern. Aber es war ganz anders. Den Autos entstiegen
ausschließlich Frauen! Frauen auf dem Weg zu ihren Jobs. Das gab es früher
nicht. Und es wäre doch sehr erstaunlich, wenn die stärkere ökonomische
Freiheit der Frauen früher oder später nicht auch tief greifende Konsequenzen
nach sich ziehen würde, was die Geschlechterrollen und die Arbeitsteilung ange-
ht. Bisher allerdings scheint sich nur der weibliche Teil der Bevölkerung zu bewe-
gen, beim männlichen ändert sich wenig. Haben sie Arbeit, erwarten sie von
ihren Frauen, sich um die Kinder und den Haushalt zu kümmern. Haben sie
keine, was in den Dörfern häuig der Fall ist, machen sie den lieben langen Tag
lang nichts und erwarten von ihren Frauen trotzdem, sich um die Kinder und den
Haushalt zu kümmern. Sie wirken hillos, und es scheint ihnen schwerzufallen,
sich den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Das würde allerdings voraus-
setzen, erst einmal das eigene Selbstbild zu korrigieren und bereit zu sein, sich
auch inmiten eines Berges dreckiger Wäsche oder vollgekleckert mit Babybrei
als Mann zu fühlen.
Dieses Phänomen der männlichen Verhaltensstarre kann man derzeit in vielen
Teilen der Welt beobachten, es hat mit dem Wegfall von Jobs in der Industrie und
der Landwirtschat zu tun, klassischen Männerdomänen, und dem Boom des Di-
enstleistungssektors, einer typischen Frauendomäne. Einige Kommentatoren
rufen bereits das Jahrhundert der Frauen aus, andere, wie zum Beispiel die
amerikanische Journalistin Hanna Rosin, prophezeien gar das »Ende der Män-
ner« - also das Ende des vorherrschenden Männermodells. Das ist, zumindest
was Korsika betrit, wohl eher unrealistisch, aber so wie im Moment kann es
wohl auch nicht mehr lange gut gehen. Traditionelle Familienstrukturen erodier-
en, die Frauen bekommen weniger Kinder, und viele Ehen zerbrechen, weil die
Frauen nicht mehr bereit sind, die ihnen von der Tradition zugewiesene Rolle kla-
glos anzunehmen, während die Männer nicht wissen, wie sie den neuen Ans-
prüchen der Frauen genügen sollen.
Noch gibt es sie, die Männer alten Schlags. Der Macho ist zwar ein Au-
slaufmodell, aber das hat sich noch nicht bis in jedes Bergnest herumgesprochen,
weshalb man auf Korsika noch einige besonders eindrucksvolle Exemplare be-
sichtigen kann. Man sollte sie unter Naturschutz stellen, denn es wäre doch
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