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schade, wenn sie ausstürben. Wie soll man späteren Generationen dann begreif-
lich machen, was ein ungebrochenes Bild südländischer Männlichkeit ist?
Es ist jedes Mal eine Schau, wenn so ein Kerl mit seinem schweren Pick-up an
der Dorbar vorfährt und breitbeinig aussteigt. Die Beine stecken in Camoulage-
hosen, die Füße in festen Schnürstiefeln. Über der Schulter baumelt das Jag-
dgewehr oder ein Herrenhandtäschchen, das hier kurioserweise als männlich gilt.
Zwischen Daumen und Zeigeinger klemmt die Marlboro. Er kommt cowboyhat
lässig hinübergeschlendert, begrüßt seine Freunde mit einer Umarmung und die
wichtigen Männer mit einem ehrerbietigen Handschlag. Dann lehnt er sich an
den Tresen und ordert nuschelnd eine Runde für alle Anwesenden. Mit dieser
Bestellung wird der Bartresen zur Kampfarena und die Männer zu Gladiatoren
des Alkohols. Denn nun gilt: Jeder Einzelne muss anschließend ebenfalls eine
Runde ausgeben, das gebietet die Ehre. Je mehr Leute da sind, desto mehr muss
logischerweise getrunken werden, theoretisch geht das ewig so weiter, ein pro-
millegesättigter Teufelskreis. So lange, bis die Frauen die Trinkerei beenden, in-
dem sie ihre Gaten auf dem Handy anrufen und ihnen unmissverständlich klar-
machen, dass sie sofort nach Hause zu kommen haben. Die so Zurechtgewiesen-
en machen sich dann schnurstracks auf den Weg, aber nicht ohne vorher noch
schnell die Augen gen Himmel zu verdrehen. Die Kumpels nicken wissend: »Ja
ja, die Weiber.«
Junge Korsen machen sich manchmal einen Spaß daraus und laden männliche
Touristen zu so einer Runde ein, wohl wissend, dass diese die lokalen Siten nicht
kennen. Die Touristen nehmen das Gratisgetränk erfreut an und sind überrascht,
von den Einheimischen so gastfreundlich aufgenommen zu werden. Sie plaudern
eine Weile und ziehen dann mit vielen merci von dannen - ohne sich revanchiert
zu haben. Eine Todsünde. Womit für die Korsen mal wieder der Beweis erbracht
wäre, dass die Fremden es einfach nicht drauhaben. Dass sie weder Manieren
noch Ehrgefühl besitzen, kurz, dass sie eben keine echten Männer sind.
Dennoch sind solche Runden unerlässlich für das Funktionieren des Dorfes.
Hier erfährt man die Neuigkeiten, hier wird die Weltlage diskutiert und Lokal-
politik betrieben. Mein Vater geht aus diesen Gründen auch hin und wieder zu
diesen informellen Aperitifs, schließlich ist es auch für uns interessant zu wissen,
was im Dorf vor sich geht. Meistens haben wir gerade erst gefrühstückt, wenn
die Uhr schlägt und es an der Bar Zeit für den ersten Drink ist. Auch wenn seine
Lust auf Alkohol zu dieser Tageszeit eher überschaubar ist, da muss mein Vater
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