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Fährt man über die Insel, kommt man immer wieder an Bergerien oder Fro-
magerien vorbei, in denen junge Leute selbst gemachten Brocciu und andere Zie-
gen- und Schafskäse verkaufen - das sind die modernen Hirten. Ob ihr Leben tat-
sächlich so frei und ungebunden ist, steht auf einem anderen Blat. Selbst kleine
landwirtschatliche Betriebe müssen heute geführt werden wie moderne Un-
ternehmen, zumindest wenn man davon leben will.
Die Fundstücke, die wir von unseren Wanderungen mitbrachten, waren ot kur-
ios. Mal entdeckten wir zwischen den Felsen große von der Sonne gebleichte
Knochen mit Zähnen dran, wahrscheinlich einst die Kauleisten von Kühen. Wir
nahmen sie mit und drapierten sie im Garten zu gruseligen Stillleben.
Ein anderes Mal zogen wir aus den Ruinen einer Bergerie französische Stahl-
helme aus dem Ersten Weltkrieg. Wer weiß, wie die dort hingekommen waren?
Auf der Insel war nicht gekämpt worden, aber wahrscheinlich haten ihre
früheren Besitzer sie als Andenken an ihre traumatischen Erlebnisse auf den Berg
getragen, schließlich haten damals 100000 Korsen Frankreich verteidigt. Wir
schleppten die »Hirnpfannen« oder »Adrianhelme«, wie sie damals genannt
wurden, mit nach Hause, ich glaube, wir haben sie noch heute irgendwo.
Meistens fanden wir aber nur die leeren Patronenhülsen der Wildschweinjäger.
In der Jagdsaison schwärmen die Männer mit ihren Hunden in die entlegensten
Gebiete aus, um die Wildschweine ( sangliers ) zu erlegen. Das ist eine Kunst für
sich, denn die Tiere haben nicht nur eine exzellente Nase und können Menschen
schon von Weitem riechen, sie sind auch extrem intelligent. Es sind also Geduld
und Erfahrung nötig, um überhaupt ein Exemplar vor die Flinte zu bekommen.
Es sind die kleinen Dinge, die winzigen Details, die der korsischen Landschat
ihren unverwechselbaren Charakter verleihen. Zwischen Steinquadern fristen
Moose ein genügsames Dasein. Die Brombeerhecken am Wegesrand sind zwar
dornig, aber sie tragen dicke süße Früchte. Trichterspinnen haben hier ihre
weißen Netze platziert, die nach oben weit geöfnet sind und nach unten spitz zu-
laufen. Zu sehen bekommt man die Tierchen selten, weil sie meistens im Inneren
ihrer Netze auf Beute warten. Sie sind harmlos, aber einen Finger in so ein Netz
hineinzustecken erfordert Mut. Eine metallisch glänzende Fliege zerschneidet
summend die Lut, eine Zikade zirpt, trockene Bläter rascheln im santen Wind.
Die Sonne brennt, die Felsen glühen, im Schaten der Bäume ist es ganz still. Nur
in dieser Stille hört man es, das allgegenwärtige Leben.
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