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Aber die Turmruine? An ihr waren die Naturschützer eigentlich nicht sonder-
lich interessiert gewesen. Nun besaßen sie beides. Wie sich herausstellte, hate
Monsieur Baracini ein doppeltes Schnäppchen gemacht: Er hate der Organisa-
tion den Turm und viele Hektar Land nicht nur für einen satigen sechsstelligen
Betrag verkaut, er hate auch noch den Deal ausgehandelt, auf den angren-
zenden Hügeln, die ja eigentlich »nicht bebaubar« waren, eine luxuriöse Wohn-
siedlung aus mehr als zwanzig Villen mit Meerblick errichten zu dürfen. Tja, mit
beidem häten meine Eltern nicht dienen können, nicht mit so viel Geld und auch
nicht mit einer Baugenehmigung. Aus der Traum vom alten Genuesenturm als
Ferienhaus.
Inzwischen haben sich meine Eltern ganz woanders niedergelassen, in einem
wunderschönen alten Steinhaus, das ich für keinen Turm und keine Luxusvilla
auf der Welt aufgeben würde. In unserem Dorf wurden in den vergangenen
35 Jahren nur zwei neue Häuser gebaut und eine ehemalige Backstube zu einem
Wohnhaus umgestaltet. Das war's. Fährt man allerdings nur ein kleines
Stückchen weiter, ist das Land von Baustellen übersät. Villen, Mehrfamilien-
häuser, ganze Siedlungen ( lôtissements ) werden da aus der Erde gestampt. Einige
sind luxuriös mit Naturstein und viel Glas ausgestatet, andere eher etwas für den
schmalen Geldbeutel. Ein Bauboom hat die Touristenzentren der Insel im Grif,
das ist nicht zu übersehen. Wo viel gebaut wird, scheint die Wirtschat im Auf-
schwung, das ist die positive Seite. Allerdings wird es seit Ende der Neunziger-
jahre immer schwieriger, das Land vor der bétonisation , wie diese Entwicklung
anschaulich auf Französisch genannt wird, und der damit einhergehenden Im-
mobilienspekulation zu schützen.
Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Bürgermeister der insgesamt 360 Gemeinden
Korsikas. Niemand hat so viele Freunde wie sie - und niemand so viele Feinde.
Das liegt daran, dass die alle sechs Jahre neu gewählten kommunalen Volks-
repräsentanten die Macht haben, Bauland auszuweisen und die lokalen Städte-
baupläne entsprechend zu verändern. Wer also einen guten Draht zum Bürger-
meister hat, darf hofen, dass dieser seinen Zauberstab rausholt, und hopp -
schon ist aus dem von der Macchia überwucherten Brachland eine Goldgrube ge-
worden. Die Rechnung geht so: Ein uadratmeter Ackerland kostet 10 Euro.
Wird er in Bauland umgewandelt, steigt sein Wert auf 100 bis 200 Euro. Ein Hek-
tar kann also im Handumdrehen eine bis zwei Millionen wert sein, obwohl er zu-
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