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in Marseille gegen Atomversuche auf Korsika demonstriert und war dabei, mit
der ARC ( Action Régionaliste Corse ) eine der ersten nationalistischen Bewegun-
gen Korsikas zu gründen. Das Vorhaben der DATAR lieferte ein neues Programm:
den Kampf gegen die »touristische Invasion«, die das korsische Volk zu überrol-
len drohe. Der Staat schaute machtlos zu, wie 1976 mit der Gründung der bis
heute stärksten nationalistischen Untergrundbewegung FLNC ( Front de libération
nationale de la Corse ) die ersten Bombenatentate verübt wurden. Zielscheibe
waren (und sind) stets nichtkorsische Unternehmen wie der Club Méd, dem man
vorwarf, die Schönheit der Insel für die eigene Tasche auszubeuten, ohne Korsen
in Lohn und Brot zu setzen. Der (falschen) Legende nach importierten die Ferien-
clubs sogar das Baguete vom Festland. Nachdem im Club von Chiuni zwei
Bomben explodiert und acht Apartments in Schut und Asche gelegt worden
waren, gaben die Club-Méd-Manager nach. Sie zahlen seitdem regelmäßig
Schutzgeld, das natürlich nicht so genannt wird, sondern den vornehmen Namen
»Revolutionssteuer« trägt.
Zwischen 1980 und 1995 explodierten auf der Insel an die tausend Villen und
350 andere touristische Einrichtungen, schätzt die Journalistin Hélène Constanty,
die ein Buch zum hema geschrieben hat. Die »blauen Nächte«, wie in
Frankreich Atentatserien wie diese genannt werden, verhinderten, dass
Großkonzerne wie Accor oder Axa, die sich bereits Tausende Hektar Land auf
der Insel gesichert haten, ihre gigantischen Immobilienprojekte realisierten. Zur
Beruhigung: Touristen sind bei diesen Bombardements nicht zu Schaden gekom-
men. Die Atentate wurden stets außerhalb der Saison verübt, wenn die Häuser
leer standen.
In den Achtzigerjahren waren meine Eltern sehr entäuscht, weil ihnen eine ganz
besondere Immobilie durch die Lappen ging. Von heute aus gesehen, ein Glücks-
fall, häte man dort doch wie auf einem Präsentierteller gewohnt und bestimmt
das Missfallen der Nationalisten auf sich gezogen - möglicherweise mit explos-
ivem Ende.
Es handelte sich um einen verfallenen Genueserturm, der muterseelenallein
auf einer Landzunge thronte, umgeben von einer sternförmigen Befestigungs-
mauer. Meine Eltern haten ihn bei einem ihrer Streifzüge über die Insel entdeckt
und waren hin und weg. Sie ingen sofort an zu träumen, wie es wäre, in so
einem Turm zu wohnen, allein der 360-Grad-Blick von dessen Dach wäre jede
Mühe wert (kein Strom, kein Wasser, keine Ecken, denn der Turm war rund)
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