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Bonnet jedenfalls sah in den Korsen ofenbar nichts weiter als eine ungezogene
Saubande, der man gehörig auf die Finger hauen muss. Als Erstes unterstellte er
den Inselbewohnern einen kollektiven Hang zum Gesetzesbruch. Wie man sich
vorstellen kann, machte er sich damit nicht viele Freunde. Die uitung kam
postwendend: Im März 1999 errangen die Nationalisten bei den Wahlen zum Re-
gionalparlament im ersten Wahlgang 23 Prozent der Stimmen und erzielten so
den größten Erfolg ihrer Geschichte. Dieses Wahlergebnis muss Bonnet bis aufs
Blut gereizt haben, anders ist nicht zu erklären, was er dann tat: Er gab Order,
zwei illegal errichtete Strandrestaurants am Golf von Ajaccio anzuzünden.
Allerdings handelten die Gendarmen, die seinen Befehl ausführten und die be-
liebten Lokale »Chez Francis« und »Aria Marina« eines Nachts niederbrannten,
dümmer als die Polizei erlaubt. Sie haten wichtige Beweismitel einfach im Sand
verbuddelt und sich dann aus dem Staub gemacht, unter anderem stellten die
Ermittler ein Walkie-Talkie, einen Kompass und mehrere Marmeladengläser sich-
er, in denen Benzin transportiert worden war. Die Beamten wurden verhatet,
kurz darauf wurde auch der Präfekt in Untersuchungshat genommen. Anfäng-
lich behauptete er noch, die Brände gingen auf das Konto rivalisierender Nation-
alistengruppen, aber bald musste er einsehen, dass diese Unterstellung alles nur
noch schlimmer machte. Er gestand, wurde seines Amtes enthoben und zu drei
Jahren Hat verurteilt, davon ein Jahr ohne Bewährung.
Mitleid mit dem fehlgeleiteten Präfekten Bonnet hate auf Korsika niemand,
dafür hate er buchstäblich zu viel verbrannte Erde hinterlassen. Dabei hat sein
tiefer Fall vom vielversprechenden Abgänger der Eliteschule ENA ( École Na-
tionale d'Administration ), die alle Franzosen absolvieren müssen, wenn sie in der
Politik etwas werden wollen, zum Stratäter durchaus eine tragische Dimension.
Hier kommt die renitente Seite Korsikas zum Vorschein, die unheilvolle, gewalt-
tätige, die noch niemand hat zähmen können. Erst recht kein direkt von der fran-
zösischen Zentralregierung eingesetzter Präfekt.
Bei uns im Dorf ging das Leben einfach weiter. Nach einer Weile wurde allerd-
ings Renés Restaurant in einer Hauruckaktion abgerissen. Heute erinnert an der
Stelle, an der es einst gestanden hat, nichts mehr an seine Existenz. Die Natur hat
wieder das Regiment übernommen. Macchia, Strand, Meer, alles ist, wie es immer
war. Doch wie lange noch?
Vor einiger Zeit bläterte ich in der Alimentation unseres Dorfes in einer fran-
zösischen Klatschzeitung. Darin wurde haarklein und mit verwackelten Bildern
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