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jetzt berichten, wie sich diese Ödnis in einen blühenden Garten Eden verwan-
delte, der die Touristen in Scharen anzog und die Einheimischen zu wohl-
habenden Leuten machte. Es kam anders. Die Straße dorthin war so schlecht,
dass sie größere Gefährte wie Wohnmobile nur unter höchster Pannengefahr be-
fahren konnten. Sie zu erneuern kam nicht infrage, dazu war kein Geld da. Der
Campingplatz blieb bis auf vereinzelte, besonders abenteuerlustige Urlauber leer.
Das ist er bis heute.
Und dann war da noch die Sache mit der »Strohhüte«. Eines Tages beschloss
ein Mann aus dem Dorf, René, dass es doch schön und bestimmt auch lukrativ
wäre, unten am Strand ein Restaurant aufzumachen. Eine oizielle Genehmigung
hate er dafür zwar nicht - er häte sie auch niemals bekommen, weil das fran-
zösische Küstengesetz ( loi litoral ) die Bebauung der Küste verbietet - doch von
dieser Lappalie ließ sich René nicht abhalten. Statdessen goss er lux ein Funda-
ment aus Beton und mauerte vier Wände, die er mit Holzplanken verkleidete.
Nach vorne statete er die so entstandene Hüte mit einer großen Terrasse aus,
nach hinten mit einer Toilete. Fertig war »Le Kallisté«.
Das Restaurant lief einige Jahre ganz hervorragend. Der Sonnenuntergang ließ
sich von dort aus sehr schön beobachten, und die Küche war passabel. Auch tag-
süber war das »Kallisté« eine beliebte Anlaufstelle für Eis und Cola. Es häte
ewig so weitergehen können, wäre 1999 nicht die afaire des paillotes
hochgekocht.
Natürlich war René nicht als Einziger auf die Idee gekommen, an einem be-
liebten Strand ohne oizielle Genehmigung ein Restaurant aufzumachen. Es gab
damals unzählige solcher Orte über die ganze Insel verteilt. Sie wurden paillote,
Strohhütten, genannt, was niedlich klingt und wohl verschleiern sollte, dass es
sich in Wahrheit meist um massive Betonbauten handelte, die ohne Genehmi-
gung gebaut worden waren und mit denen sich gutes Geld verdienen ließ. Gegen
diese illegale Landnahme galt es durchzugreifen, das hate sich der damals neue
französische Präfekt Korsikas, Bernard Bonnet, auf die Fahnen geschrieben. Er
war einer jener Männer, die von Ehrgeiz getrieben sind. Seinen Ruf, ein Hardliner
zu sein, trug er wie einen Orden vor sich her. Immerhin, das muss man ihm
zugutehalten, hate er mit dem Posten auf Korsika ein äußerst undankbares Amt
angetreten: Sein Vorgänger, Claude Érignac, war kurz zuvor von Extremisten auf
ofener Straße erschossen worden. Ranghöchster Repräsentant des französischen
Staates zu sein - auf Korsika ist das ein lebensgefährlicher Job.
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