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eten einzelner Kiefern, die sich in den felsigen Untergrund krallen. Schwindelnd
machende Ausblicke in Schluchten, in deren Tiefe Wildwasser gurgelt.
Insofern ist es gut, dass die 158 Kilometer kurze Fahrt von Bastia nach Ajaccio
geschlagene drei Stunden und 45 Minuten dauert, Verspätung nicht inbegrifen.
Das gibt den Passagieren ausreichend Zeit, die spektakulären Panoramen, die
sich vor den Zugfenstern autun, eingehend zu betrachten. Wir durchquerten erst
ein Stück der Plaine Orientale , Korsikas fruchtbare Ebene im Osten, auf der Obst
und Gemüse angebaut wird, und bogen dann abrupt ab und tuckerten in Rich-
tung Landesinneres. Die Bahn passiert den Ort Ponte Novu, wo der Befreiung-
skämpfer Pasquale Paoli mit seinen Truppen 1769 eine bitere Niederlage ein-
stecken musste. Seine sterblichen Überreste wurden 1889, fast 100 Jahre nach
seinem Tod, aus London - bis heute gibt es ein ihm gewidmetes Monument in
Westminster Abbey - heim nach Korsika geholt, wo sie unter anderem mit der
damals brandneuen Eisenbahn transportiert wurden. Von der Haltestelle Ponte-
Leccia aus trug man sie bis hinauf nach Morosaglia in der Castagniccia, wo sie in
einer Familienkapelle in seinem Geburtshaus beigesetzt wurden.
Wir erreichten Corte, die frühere Hauptstadt. Es stiegen viele junge Leute aus,
sicher Studenten der Università di Corsica Pasquale Paoli, der 1981 wiederer-
öfneten einzigen Universität der Insel. Ich stellte mir vor, wie es gewesen wäre,
hier zu studieren. Häte ich dann, stat in billigen Studentencafés herumzusitzen,
meine Freizeit in den rauschenden Wäldern von Vizzavona verbracht? Häte ich
Berge erklommen und in eiskalten Berglüssen gebadet, stat ins heater zu ge-
hen oder ins Kino? Häte ich in Bergdörfern den Geschichten der Alten
gelauscht, stat im Internet nach neuen Blogs zu suchen? Es wäre ganz bestimmt
ein anderes Studentenleben gewesen als in deutschen Großstädten. Im Internet
wirbt die Universität damit, 60 Nationalitäten auf ihrem Campus zu versammeln.
Kann das sein, bei gerade mal 4300 Studenten? Dann wäre diese Uni ja ein Hort
der Völkerverständigung und kein »Nationalistennest«. Denn das ist leider der
Ruf, der ihr vorauseilt.
Auch wenn sich im Sommer an manchen Küstenorten die Touristen drängeln und
sich die Städte über die Jahre weiter und weiter in die umliegenden Ebenen und
Hänge gefressen haben, der Großteil der Insel bleibt davon unberührt. Das wird
auf einer Fahrt mit dem Trinighellu einmal mehr deutlich. Auf Korsika herrscht
die Natur, nicht der Mensch. Hier und da inden sich, wie von Geisterhand
hingewürfelt, ein paar winzige Ortschaten, die allesamt ein Nachwuchsproblem
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