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Cafébesitzer genug von dem Stau vor seinem Wohnzimmer, als das er seine
schattige, liebevoll begrünte Terrasse zweifellos betrachtet, und rennt luchend
auf die Straße. Was genau er sagt, ist nicht zu verstehen, weil er korsisch spricht,
aber es klingt deinitiv nicht nach »Sehr geehrter Herr, wären Sie bite so freund-
lich, rechts ranzufahren und den Autobus durchzulassen, in dem fünfzig Leute
sitzen, die darauf brennen, gleich meine Kunden zu werden?« Er fasst sich kürzer
und brüllt so etwas wie: »Armleuchter, rechts ran! Sofort!« Mit seinem weit
aufgeknöpten Hemd und dem blinkenden Goldketchen baut er sich alsdann vor
dem Reisebus auf, der mit seinen überdimensionierten Außenspiegeln wie ein
riesiges Insekt mit Fühlern aussieht, und weist ihn energisch in die Schranken.
Dann kommt die Filigranarbeit: Auto für Auto muss millimetergenau zwischen
der Steinmauer zur Rechten und der lackierten Karosserie des Busses zur Linken
hindurchgefädelt werden. Mit zärtlichen Gurrlauten lockt er die ängstlichen
Fahrer, die von der Situation sichtlich überfordert sind. Hat sich die Lage etwas
entspannt, stoppt er die Kleinwagen und winkt dem Busfahrer. Der setzt sein Ge-
fährt langsam in Bewegung - und siehe da, er schat es irgendwie, sich durch
das Nadelöhr zu zwängen. Mit einem letzten Fluch beendet der Wirt seinen Ein-
satz und kehrt zu seinem Tresen zurück. Alles an seinem Gang sagt: Wenn ihr
mich nicht hätet!
Der Tag ist geretet, für die Touristen auf der Straße und für den Cafébesitzer,
der mal wieder allen gezeigt hat, wer der Chef ist. Er reckt das Kinn in die Höhe
und schenkt sich ein Glas Pastis Dami ein, ein korsisches Erzeugnis, kein französ-
isches. Dazu kommt ein Schwupp Wasser, aber nur in einer homöopathischen
Dosis. Wichtig ist, dass das Getränk anschließend in einem saten Gelb leuchtet
bien jaune «). Den Anisschnaps in einem ganzen Schwall Wasser zu ertränken,
sodass er milchig weiß aussieht, machen nur Anfänger (» noyer le pastis «). Zum
Beispiel die Touristen aus dem Reisebus, die jetzt gleich in sein Café einfallen
werden.
Die Korsen lieben ihre Autos, entsprechend viele gibt es davon auf der Insel. Die
Fahrzeugdichte ist hier fast doppelt so hoch wie auf dem französischen Festland.
Auf zehn Einwohner kommen mehr als sieben Autos. Wird in Paris mal wieder
ein autofreier Sonntag ausgerufen, kann man sicher sein, dass dort die Straßen
tatsächlich leer bleiben, während man auf Korsika im Stau stecken bleibt. Ohne
sein Auto, und ist es auch noch so klein, fühlt sich ein Korse nicht vollständig.
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