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in den Einkaufskorb sollte (Blumenkohl, Stinkekäse). Im Auto versuchte ich, so
schnell wie möglich in einen komaartigen Schlaf zu versinken, sofern meine zwei
Geschwister, der Hund, die Hitze und das Gepäck hinter meinem Kopf und unter
meinen Füßen es zuließen. Leider funktionierte das in der Regel nicht, und ich
musste mich übergeben - meist circa 500 Meter von unserem Ziel entfernt und so
gut wie immer direkt ins Auto. Aus Sympathie oder eher wegen des Geruchs er-
brachen sich meine Geschwister kurz darauf ebenfalls. Ich erinnere mich an eine
Fahrt, auf der es sogar den Hund erwischte.
Noch heute befällt mich vor längeren Autofahrten auf Korsika eine Art
Phantomübelkeit, einfach nur, weil ich weiß, dass es gleich wieder in die Kurven
geht. Inzwischen sitze ich allerdings meist selbst am Steuer und habe auch sonst
einige Strategien entwickelt, um meinen Magen ruhig zu halten. Was hilt, ist,
vorher etwas zu essen, also auf keinen Fall hungrig loszufahren. Zu lesen oder
Landkarten zu studieren ist tabu. Zitrusdüte beruhigen die Eingeweide, weshalb
ich mir vor Auslügen ot eine Zitrone aus unserem Garten mit auf den Weg
nehme und zwischendurch öter mal an der Schale nibble und daran rieche. Ich
habe auch schon frische Minze an Bachläufen geplückt oder Lavendel am
Wegesrand und die Sträußchen vorne auf die Lütung gelegt. Keine Ahnung, ob
das sinnvoll ist, aber mir hilt es.
Die Korsen sind gegen derlei Beschwerden ofenbar immun. Ihre Resistenz gegen
Kinetose, wie diese Reizung des Gleichgewichtssystems im Innenohr medizinisch
korrekt heißt, scheint angeboren zu sein. Selbst Vierjährige springen nach einer
schier endlosen Kurbelfahrt in das entlegenste Bergnest voller Tatendrang von
der Rückbank des Autos. Erwachsene Korsen scheinen zusammen mit der Führ-
erscheinprüfung auch einen Kurs im Rennfahren zu absolvieren. Schwerpunkt:
kurviges Gelände. Völlig angstfrei rasen Frauen wie Männer über ihre schöne In-
sel, als gelte es, sich für die Formel 1 zu qualiizieren. Sie fahren zwar häuig
Kleinwagen von Renault oder Peugeot, aber aus denen holen sie das Äußerste
heraus. Ihre Überholmanöver zeugen von ungebrochenem Gotvertrauen und
inden gerne direkt vor einer nichteinsehbaren Kurve stat. Wer seine Nerven
schonen will und beim Blick in den Rückspiegel feststellt, dass sich hinter einem
viel zu dicht aufahrenden Auto bereits eine Schlange gebildet hat, tut gut daran,
seinen Fahrerstolz vorübergehend zu begraben und an den Rand zu fahren, um
Platz zu machen. Vor allem, wenn auf den Nummernschildern »2A« oder »2B«
zu erkennen ist. Denn das sind die Korsen. Die Insel ist in zwei Départements un-
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