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richtig bekannt. Doch das alles konnte letztendlich nicht darüber hin-
wegtäuschen, dass der Emporkömmling, der sich vorher bereits Grande von
Spanien, Lord von Großbritannien, Pair von Frankreich und Fürst des Römischen
Reichs genannt hate, nichts weiter als ein Scharlatan war. Ein paar Monate hielt
die hofnungsvolle Stimmung auf Korsika an, aber sein Versprechen, die Not zu
lindern und eine Flote zu organisieren, die Korsika von allen Besatzern befreien
würde, löste er nicht ein. Wie auch? Er besaß ja nichts.
Nach nur sieben Monaten im Amt verließ der König, als Priester verkleidet,
seine Insel und ging in Livorno an Land. Er versuchte noch einmal, in Europa Un-
terstützung für seine Unternehmung zu bekommen, und schate es tatsächlich,
wohlhabende Amsterdamer Kauleute zu überreden, eine weitere Expedition aus-
zustatten. Doch seine Vergangenheit klebte wie ein unheilvoller Schaten an ihm.
Auf Korsika war man inzwischen misstrauisch geworden, sodass heodor sich
nicht mehr auf seine Insel wagte. Zu allem Überluss haten die Genueser ein
Kopfgeld auf ihn ausgesetzt, weshalb er jederzeit verhatet werden konnte. Mehr-
ere Rückkehrversuche schlugen fehl, in London verbrachte er einige Jahre im Ge-
fängnis. 1756 starb heodor von Neuhof völlig mitellos im Armenviertel Soho.
Bis heute können die Korsen nicht über ihren deutschen Kurzzeitkönig lachen.
Dass sie einem Fremden, noch dazu einen halbseidenen Aufschneider, die Macht
überlassen haben, entspricht so gar nicht ihrem Selbstbild. In einem von Korsen
geschriebenen Geschichtsbuch wird das hema »heodorus Rex« denn auch
betont neutral und in aller Kürze abgehandelt. König heodor I. sei eine »er-
staunliche« Persönlichkeit gewesen, der einer adeligen, aber armen Familie (in
korsischen Augen keine Schande) entstammte und auf der Suche nach einer
»brillanten Karriere« war. Erstaunlich, adelig, brillant - darunter machen es die
Korsen nicht, auch wenn es um ein eher kurioses Kapitel ihrer Geschichte geht.
Dreizehn Jahre nach dem Tod des »Königs von Korsika« wurde in Ajaccio ein
Junge geboren, der als Erwachsener ebenfalls nach den Sternen greifen sollte.
Anders als heodor I. war der kleinwüchsige Spross einer bescheidenen adeligen
Familie nicht zum Hochstapler, sondern zum Macher mit eisernem Willen und
unzerstörbarem Selbstbewusstsein bestimmt. Ohne diese Eigenschaten wäre er
niemals Kaiser der Franzosen geworden, er wäre auch nicht in der Lage gewesen,
bis zu seinem Sturz ein ebenso modernes wie diktatorisches Regime zu führen,
das Europa bis heute prägt. Richtig - es geht um Napoleon Bonaparte.
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