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Verein der »Freunde Korsikas« versuchte, junge Korsen mit Studienstipendien zu
ködern. Während der Großteil der Korsen mit Verachtung auf die Annäherungs-
versuche der Faschisten reagierte, auch weil es auf der Insel eine lange jüdische
Tradition gibt, von der heute noch Nachnamen wie Giacobbi, Zuccarelli,
Costantini oder Simeoni zeugen, ielen die Autonomisten, die ihre Bewegung
nach dem korsischen Mulon muvrisme nannten, auf die Annäherungsversuche
herein. Sie teilten mit Begeisterung die Ideale Mussolinis, ihr Moto schien zu
sein: Hauptsache, weg von Frankreich. Das machte sie blind für die wahren Ziele
der Faschisten.
Die größte Entfremdung Korsikas von Frankreich aber brachte wohl die Ansied-
lung von 17500 Algerienfranzosen zwischen 1957 und 1965 mit sich. Niemand
hate die Korsen um ihre Meinung gefragt, die Regierung hate mit der massen-
haten Repatriierung der pieds noirs (die Bezeichnung »Schwarzfüße« haten
ursprünglich die Algerier den französischen Kolonisatoren verpasst, weil sie sich
über deren dunkle Lederschuhe wunderten) Tatsachen geschafen. Zudem proit-
ierten die Neuankömmlinge mehr als die Alteingesessenen von den Geldern der
neu gegründeten Gesellschat für die agrikulturelle Entwicklung Korsikas (die
schlanke Abkürzung dieser Behörde lautet SOMIVAC). Mit zunehmender Verbit-
terung verfolgten die Einheimischen, wie die Immigranten, die damals immerhin
zehn Prozent der korsischen Bevölkerung ausmachten, sich mit dem Geld in der
fruchtbaren Ebene entlang der Ostküste riesige Weingüter und Obstplantagen
aufbauten. Die Korsen fühlten sich an die Wand gedrängt, zumal sie in vielen Fäl-
len durch die Ansiedlung der Algerienfranzosen faktisch enteignet worden war-
en, weil sie für ihre Ländereien otmals keine Grundbucheinträge, sondern nur
mündliche Besitztitel vorweisen konnten. Selbst die mächtigen Clanchefs waren
gegen diese sozialen Spannungen machtlos. Es herrschte Rezession, weshalb sie
ihren Günstlingen kaum noch lukrative Posten in der französischen Politik, Ver-
waltung oder Wirtschat verschafen konnten. Diese Form der Veternwirtschat
war in der Vergangenheit immer ein verlässliches Ventil für Ärger aller Art
gewesen. Nun war es blockiert.
Als 1975 bekannt wurde, dass einige der pieds noirs Wein gepantscht haten,
lief das Fass buchstäblich über. Etwa 20 Autonomisten besetzten das Weingut
Depeille in Aléria, um gegen den Skandal zu protestieren. Stat die Verfehlungen
zu ahnden - die Verzuckerung von Wein war seit 1972 verboten -, befahl das
französische Innenministerium einen massiven Gewalteinsatz gegen die Korsen.
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