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Von heute aus gesehen, wirken die Gräuel, die die Korsen seit Beginn unserer
Zeitrechnung - und sogar schon davor - durchlebt haben, einfach nur abstrakt.
Ein Satz wie dieser lässt sich leicht hinschreiben: »Jahrhundertelang wurde Kor-
sika von fremden Mächten erobert, beherrscht, ausgeblutet.« Aber was bedeutet
das im Einzelnen? Seit den Römern, hat der Gaullist und Politiker Alexandre San-
guineti vorgerechnet, hat Korsika 19 Herrscherwechsel, 37 Revolten und sieben
Perioden der Anarchie erlebt. Unvorstellbares Leid, Tausende Opfer, ein Leben in
ständiger Angst und Unsicherheit. Traumata, die sich tief ins Bewusstsein der
Korsen eingegraben haben und die bis heute in der korsischen Seele nachwirken.
Das muss man wissen, um dieses Inselvolk zu verstehen.
Viel ist nicht bekannt über die älteste Vergangenheit Korsikas. Waren es Phöniz-
ier, Hispanier oder Ligurer, die als Erste einen Fuß auf die Insel setzten? Fest
steht, sie haben Korsika bevölkert, bevor Kartharger, Griechen und Römer dor-
thin kamen. Im Prinzip landeten alle, die im Mitelmeerraum Seefahrt und Han-
del betrieben, früher oder später auf den Inseln Sizilien, Sardinien und Korsika.
Der Grieche Herodot, geboren um 484 vor Christus, schreibt ausführlich über die
Flucht des griechischen Volkes der Phokäer aus Kleinasien. Sie wollten den per-
sischen Tyrannen Cyrus nicht länger ertragen und suchten sich eine neue
Heimat. Die Wahl iel auf Korsika, weil ihnen die Insel nicht ganz fremd war.
Schon zwei Jahrzehnte früher haten griechische Seefahrer die Stadt Alalia (das
heutige Aléria) gegründet. Bald jedoch wurden sie von den Etruskern und den
Kathargern verjagt, die sich ebenfalls auf Korsika ansiedeln wollten. Also bestie-
gen die Phokäer ihre Schife, segelten ein Stück weiter und gründeten auf dem
Festland die Stadt Massilia, das heutige Marseille.
Die Etrusker herrschten ziemlich lange auf der Insel. Mit ihrem Eindringen
änderte sich auch das Gesicht Korsikas. Korsai wurde die Insel ursprünglich
genannt, was so viel bedeutete wie »mit dichten Wäldern bewachsener Ort«.
Doch die Etrusker begannen damit, die prächtigen Wälder im großen Stil zum
Bau ihrer Schifen abzuholzen. Zudem war Holz ein begehrter Rohstof, mit dem
es sich lukrativ Handel treiben ließ. Nach und nach wurden sie von den
Karthagern verdrängt, die bereits auf Sardinien ansässig waren und sich der kor-
sischen Häfen bemächtigten. Wohlgemerkt nur der Häfen, das schwer zugäng-
liche Inselinnere konnten weder sie noch die nachfolgenden Eroberer jemals ganz
unterwerfen. Das Inland war und blieb der Rückzugsort der Korsen.
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