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Urteile, Vorurteile
Den kennen Sie wahrscheinlich: Was ist das Paradies? Das sind ein englischer
Polizist, ein französischer Koch, ein deutscher Techniker, ein italienischer
Liebhaber, und alles wird von den Schweizern organisiert. In der Hölle dagegen
gibt es einen englischen Koch, einen französischen Techniker, einen deutschen
Polizisten, einen Schweizer Liebhaber, und alles wird von den Italienern organis-
iert. Oder wie Winston Churchill gesagt haben soll: »Die Italiener verlieren ihre
Fußballspiele, als ob es Kriege wären, und verlieren ihre Kriege, als ob es Fußball-
spiele wären.« Sind sie so?
Über die Beziehungen zwischen Deutschland und Italien gibt es ein biteres Wort,
das jedem, dem beide Kulturen am Herzen liegen, einen Stich versetzt: »Die
Deutschen lieben Italien, aber achten die Italiener nicht, die Italiener bewundern
Deutschland, aber lieben die Deutschen nicht.« Eine weitere Weisheit besagt:
»Die Deutschen leben, um zu arbeiten, die Italiener hingegen arbeiten, um zu
leben.« Aber es gibt auch andere Ansätze, wie den des Satirikers Robert
Gernhardt: »Italiener sein, verlucht! Ich habe es ot und ot versucht - es geht
nicht!« In ihrem letzten Text, den man nach ihrem Tod fand, schrieb die große it-
alienische Journalistin Franca Magnani über die anscheinend unausrotbaren
Vorurteile: »Die Klischees, diese von uns so sehr bekämpten und verpönten,
haben sich weitgehend bestätigt.« Die Klischees kommen von weither, in der er-
sten Aulage des Meyer-Lexikons von 1846 konnte man gar nachlesen: »Der
Deutsche und der Italiener divergieren in ihrem Charakter so sehr, dass beide
gleichsam die Pole der westeuropäischen Menschheit bilden.« Klischees sind
dazu da, dass man sie überwindet. Aus der langjährigen Erfahrung einer Ehe mit
einer Italienerin weiß ich, dass es durchaus eine Anziehungskrat zwischen
diesen Polen gibt. Und was kann schöner sein, als sich im Februar darüber zu
streiten, ob man ein Eis essen soll oder nicht?
Die Deutschen kennen wir. Das sind wir schließlich selbst. Wer und wie aber
sind die Italiener? Ein Italiener, so hört man, ist vor allem ein Piemonteser oder
ein Sizilianer, ein Neapolitaner oder ein Römer. Noch heute steht der regionale,
sogar der lokale Bezug vor dem nationalen. Italien ist historisch gesehen »ein
Land mit hundert Städten und tausend Türmen«. Als zwischen 1860 und 1870 im
Risorgimento, in der nationalen Einheitsbewegung, ein italienischer Einheitsstaat
entstand, wurde die Losung ausgegeben: »Wir haben Italien geschafen, jetzt geht
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