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So sind die italienischen Verhältnisse. Das Land, wo die Zitronen blühen, das
kennt man. Über Italien wissen die meisten Deutschen genauso gut Bescheid wie
über die Aufstellung ihrer Nationalmannschat. Hier kann jeder mitreden, selbst
die, die noch gar nicht da waren. Schließlich ist Italien von der Prosecco-Bar bis
zum Beneton-Laden, von der Gelateria bis zur Pizzeria längst zu uns gekommen.
Und was Italien als beliebtes Urlaubsziel angeht, gehört es im Grunde zu
Deutschland.
Die Italiener sind so sympathisch, weil wir uns ihnen - und sei es auch nur
ganz im Stillen - ein bisschen überlegen fühlen können. Die Tüchtigen und
Pünktlichen, die es am Ende richten müssen, reden wir uns gerne ein, das sind
wir. Und doch beneiden wir sie wegen ihrer Kreativität, wegen ihrer (angeb-
lichen) Fähigkeit, das Leben leichtzunehmen, wegen ihrer Kunstschätze, den
vielen Stränden und natürlich wegen der Sonne. O sole mio .
Als im August des Jahres 1920 bei den Olympischen Spielen von Antwerpen die
italienische Nationalhymne gespielt werden sollte, fehlten die Noten. Der Diri-
gent zögerte einen Augenblick und ließ dann eine Melodie spielen, die seine
Musiker auswendig konnten: »O sole mio«. Das neapolitanische Volkslied war da
gerade dank der Interpretation von Enrico Caruso auf dem neuen Massenmedium
Schallplate zu einem Weltschlager geworden. Die Geschichte dieses Liedes ist
verbunden mit vielen solcher Geschichten, die von Elvis Presley (»It's now or
never«) über Juri Gagarin (der das Lied zum ersten Mal im Weltraum sang) bis zu
Papst Johannes Paul II. reichen. Der Song ist sprachlich so unbedart (»Meine
Sonne/leuchtet aus deinem Gesicht!«), wie seine Melodie eingängig ist. Aber
geradezu tragisch ist das Schicksal seiner Autoren. Der Komponist Eduardo Di
Capua, der »O sole mio« vermutlich 1898 nicht in Neapel, sondern während
eines Tourneeaufenthalts in Odessa in Noten setzte, starb verarmt 1917. Auch der
Texter Giovanni Capurro erlebte den Welterfolg seiner Verse nicht mehr. Und
spätestens dann wäre er vor Gram gestorben, denn ein neapolitanischer Musik-
verleger hate sowohl Texter als auch Komponisten um ihre Autorenrechte betro-
gen. Singen, so sagt der in Italien lebende deutsche Komponist Hans Werner
Henze, stehe in Neapel für alle Nuancen zwischen Lachen und Weinen.
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