Travel Reference
In-Depth Information
An Auswahl herrscht kein Mangel. Ebenso wenig an Bezeichnungen. Nicht alle
Plätze heißen piazza , sondern die kleinen heißen piazzeta , die ganz großen
piazzale - und wechseln das Geschlecht von weiblich zu männlich. Außerdem
gibt es noch den largo , das bedeutet dem Wortsinn nach »Verbreiterung«, und
den campo , was sich von »Feld« ableitet. Und schließlich ganz klassisch das foro
(Forum).
Italien hat Hunderte von Plätzen, berühmte und weniger bekannte. Ich bin, wie
die meisten, ein Piazza-Fan. Faszinierend sind diejenigen Plätze, die sich zum
Meer öfnen, zum Beispiel die Piazza dell'Unità in Triest, aber ebenso die, die
gleichsam in einem Hof sich selbst genügen, wie die Piazzeta von Capri. Die
typischen Marktplätze Venetiens (Piazza delle Erbe oder Piazza Mercato) und der
Toskana (Lucca) sind wahre Schatzgruben, und die großen spätbarocken Szeno-
graien Roms und Süditaliens (Neapel, Palermo, Lecce) versetzen ihre Betrachter
immer wieder in Staunen.
Die Piazza ist auch ein Ort der Popkultur, nicht nur, weil auf ihr Konzerte ver-
anstaltet werden, sondern weil es Songs über sie gibt und Lucio Dalla, der im
März 2012 so plötzlich starb, mit dem Titel »Piazza Grande« Bologna (und sich
selbst) ein Denkmal gesetzt hat. Manchmal »dreht« sich ein Platz, wie die Piazza
Ducale in Vigevano (in der Nähe von Mailand), die ursprünglich als repräsentat-
iver Vorplatz eines Kastells der Sforza entstanden war und heute nach kleinen
geschickten Umbauten im Barock als Domplatz erscheint. Eine Piazza ist ot ein
Guckloch in die Geschichte des Landes. Das ist jedoch nicht immer so ofensicht-
lich wie in Vigevano. Vielen Italienern gilt der Piazzale Loreto in Mailand als
»tragischer Platz«, auf dem die Geburtsstunde des republikanischen Italiens
schlug. Auf diesem Platz am nördlichen Rand der Innenstadt wurden nach einem
Attentat auf einen deutschen Militärlastwagen im August 1944 15 italienische
Geiseln erschossen und ihre Leichen anschließend zur Schau gestellt.
Ende April 1945, nachdem Benito Mussolini und seine Freundin Clara Petacci
auf der Flucht nahe der Schweizer Grenze von Partisanen erschossen worden
waren, brachte man ihre Körper nach Mailand, wo man sie symbolträchtig eben-
falls auf dem Piazzale Loreto ausstellte. Um sie besser zu zeigen, ließen die
siegreichen Widerstandskämpfer sie an den Füßen hochziehen und hängten sie
wie Schlachtstücke an den Dachträger einer Tankstelle. Das Foto von dieser bru-
talen Szene ging um die Welt. Auf der heute gesichtslosen Platzanlage, die eine
reine Verkehrsdrehscheibe geworden ist, erinnert fast nichts mehr an diese Vor-
Search WWH ::




Custom Search