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gebleichte Skelet eines ausgeworfenen Riesentiers. Dunkle Ameisen, die sich
Genueser nennen, kriechen darin herum, die blauen Meereswellen bespülen es
plätschernd wie ein Ammenlied, und der Mond, das blasse Auge der Nacht,
schaut mit Wehmut darauf hinab.« Da wünschte man sich das Leben und die
Sonne zurück.
Zum Glück konnten die Spuren des Unglücks schnell beseitigt werden. Genua
zeigt sich mit seinen alten Palästen im (angeblich) größten historischen Zentrum
Europas und den neu zugänglichen Vierteln am Hafen heute wieder als eine
liebenswerte Großstadt am Mitelmeer, die in den vergangenen Jahren an er-
staunlicher Lebensqualität gewonnen hat. Wer kommt und den Geräuschen der
Stadt zuhört, wird hier den Klang des Südens vernehmen.
Große Freiheit Autobahnraststätte
Besucher bewundern die historischen Plätze, bestaunen die urbane Vitalität der
Städte und erfreuen sich an ihren Geräuschen und Klängen. Während wir uns
also in diesem Ensemble aus Vergangenheit und Gegenwart einfach wohlfühlen,
gibt es eine Gruppe von Italienern, die unter einer Art von »Platzangst« leidet.
Das sind Jugendliche, die den immer gleichen Gesichtern und Beziehungen, der
sozialen Kontrolle und schließlich der erdrückenden Monumentalität von
Geschichte entliehen wollen. Sie schwingen sich auf ihr Motorrad, setzen sich
nach der Arbeit ins Auto und suchen die neuen, die anonymen Plätze auf: die
Disco, das Einkaufszentrum, das Multiplex-Kino, die Autobahnraststäte. Beson-
ders am Abend und in der Nacht sind die Raststäten in Nord- und Mitelitalien
Ziel von jungen Menschen. Sie sind Pausenstopps zwischen zwei Discoaufenthal-
ten oder Trefpunkte nach einer im Chatroom unter Spitznamen getrofenen Ver-
abredung. »Ich bin Lou, bist du Bingo?«
Die Autobahnraststäte bietet Fast Food italienischer Provenienz (Pizza, Salate,
belegte Brote) und guter ualität sowie einen blitzblanken Selbstbedienungsshop
mit Gebrauchsartikeln von der Sonnenbrille bis zu Hansaplast und Red Bull, vom
Parmigiano bis zu CDs und Regenschirmen. Eine Generation, die mit dem Werbe-
fernsehen als Babysiter aufgewachsen ist, indet hier ihre Warenwelt in Reinkul-
tur - und fühlt sich frei, obgleich jeder Winkel von Überwachungskameras aus-
gespäht wird. Ich bin mir allerdings sicher, dass Lou und Bingo in gar nicht so
ferner Zukunt ihren Enkeln voller Stolz die schönen Plätze und Städte zeigen
werden, denen sie heute den Rücken zudrehen.
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