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Wohnraum pro Kopf der Bevölkerung um 53 Kubikmeter gewachsen. So als häte
jeder Italiener heute ein geräumiges Zimmer mehr. Politisch scheinen sich rechte
wie linke Kräte besonders auf lokaler Ebene, aber auch in den Regionen und im
Parlament einig zu sein: Jeder Baukran ist ein Zeichen des Fortschrits, jeder neue
Autobahnkilometer erhöht die Mobilität, jede zusätzliche Hochgeschwindigkeit-
strasse sichert Italiens Zukunt. Und wer sich dagegen wehrt, ist ein Ökoträumer
und/oder gegen den Gemeinsinn.
Die Industrie- und Lagerhallen, die ohne große Rücksicht auf die Natur auch
am Rande von Dörfern errichtet wurden, können das Auge und die Seele ebenso
schmerzen wie die Wochenendhäuser und Feriensiedlungen, die besonders
entlang der Küsten oder in den schönsten Erholungsgebieten wie Pilze aus dem
Boden geschossen sind. Und manche Wiese ist Brachland. Wer böswillig ist, kön-
nte fragen: Goldorangen, Myrte, Lorbeer? Findet man nicht vielmehr: Matratzen-
reste, Kühlschrankkadaver, Plastikmüll?
David gegen Goliath auf Sardinien
Eine der schönsten Straßen Italiens führt in Südsardinien, rund vierzig Kilometer
von der Regionalhauptstadt Cagliari entfernt, längs der Costa del Sud zum Porto
di Teulada. Sant rollt ein Vorgebirge dem Meer zu. Kleine Buchten mit traum-
haten, vom Tourismus weitgehend unberührten Stränden schließen sie ab.
Hinter jeder Kurve öfnen sich neue Blicke auf prächtige Landschatsbilder mit
buschigem Rosmarin, wilden Olivenbäumen und kleinen Wäldern immergrüner
Steineichen, die bis an das glasklare Meer heranreichen, das blaugrün in der
Herbstsonne blinzelt. Hier stehen einige alte, in traditioneller Lehmbauweise
errichtete Bauernkaten, und von einer Landzunge bei Capo Malfatano grüßt ein
Wachturm aus den Zeiten der aragonischen Besatzung.
Dann der Schock: Hinter der nächsten Kurve, wo sich das Flüsschen Tuerredda
dem Meer zuschlängelt, stechen halbfertige Bungalows und Reihenhäuser ins
Auge. Das ist das erste Baulos einer riesigen, kaum 300 Meter vom Meer ent-
fernten Anlage mit Wohn- und Ferienhäusern, einem Hotelkomplex und Ser-
viceeinrichtungen auf insgesamt 700 Hektar Bodenläche. Architektonische
Dutzendware, die ein forriadroxiu , wie die alten Katen in der sardischen Sprache
heißen. Vor dem forriadroxiu steht ein alter Mann, stützt sich auf seinen Stock
und schimpt wie ein Rohrspatz. Der Bauer Ovidio Marras, 81 Jahre alt, wohnt
wenige Schrite vom Strand entfernt allein in der Kate, in der schon der Vater
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