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Landschatsgefühl gerade in Venetien wuchs, bevor es sich in ganz Italien aus-
breitete. Die Seemacht Venedig entdeckte ihr Hinterland, und die Patrizierfamili-
en investierten ihr bei Kaufmannsgeschäten gewonnenes Geld in agrar-
wirtschatliche Unternehmungen, zumal die Seewege unsicher geworden waren
und Venedig seine vorherrschende Stellung im Mitelmeer verlor. Andrea Palla-
dio (1508-1580) und andere bauten die herrlichen Villen, die wir heute bei Vi-
cenza, am Brenta-Kanal oder bei Fahrten kreuz und quer durch Venetien be-
suchen können.
Das neue Interesse für Landschat und Natur, das sich mit dem Traum von ein-
er anderen, einer heilen Welt paarte, machte Italien schließlich selbst zu Arkadi-
en - und zu einem Sehnsuchtsland in Europa. Wobei Arkadien jetzt nicht nur
Natur und Hirtenwelt umfasste, sondern zugleich die Erinnerung an die un-
tergegangene Kultur der Antike einschloss. Die zeigte sich konkret in den ganz
realen Ruinen (und späteren Ausgrabungsstäten) in der Landschat, die schließ-
lich ab dem 18. Jahrhundert zu Wallfahrtsorten der Bildungsreisenden wurden.
Aber es gab vor allem die iktiven Abbildungen auf den Leinwänden der Maler
von Giorgione (1478-1510) bis hin zu denen der in Rom lebenden Franzosen Nic-
olas Poussain (1594-1665) und Claude Lorrain (1600-1682) und den Kopien ihrer
Arbeiten, die in Form von Drucken in ganz Europa zirkulierten. Kurz, das Ganze
war eine ziemliche Kopfgeburt, die damals wenig mit der Wirklichkeit zu tun
hate. Heute kommt in den meist klinisch-säuberlichen Ausgrabungen der Antike
zwischen Brescia (Lombardei), Syrakus (Sizilien) oder harros (Sardinien) kaum
noch die Stimmung auf, die in dem Ausspruch gipfelte, den Goethe seiner »Itali-
enischen Reise« als Moto voranstellte: »Auch ich in Arkadien!«
Ein Wechselbad der Gefühle
Das heutige Italien setzt den Reisenden einem Wechselbad der Gefühle aus. Da
bieten sich dem Auge vielfältige, abwechslungsreiche, überraschende und ot
überwältigend schöne Landschatsbilder. Landschat wird zurückgewonnen oder
neu erlebbar, etwa durch einen Fahrradwanderweg von zwanzig Kilometern auf
der ehemaligen Eisenbahntrasse zwischen San Lorenzo Mare und Sanremo an der
ligurischen Riviera, die fast immer am Meer entlang verläut. Und dann gibt es
die Zersiedelung durch wild gewachsene Randgebiete, mit denen die Städte sich
gerade in der zweiten Hälte des 20. Jahrhunderts in die Landschat gefressen
haben. Von Jahr zu Jahr wird es enger in Italien. Von 1995 bis 2005 ist allein der
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