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Spuren in der Seele
Abschied vom Land, wo die Zitronen blühen
Spitz ragt die Pyramide in den Himmel. Dreißig Meter ist sie hoch, und rostbraun
sind ihre Wände, die sich ins Weinrot färben, wenn die Sonne auf sie scheint. Sie
thront auf einem Gebirgssporn oberhalb des kleinen Tusatals bei Cefalù. Die Insel
ist bekannt für griechische Tempel ebenso wie für normannische Kirchen, arabis-
che Schlösser oder barocke Ortskerne. Aber Pyramiden?
Sizilien, das heißt erst mal Zitronen. Kennst du das Land? Prall hängen sie an
den Bäumen. Gelb leuchten sie in den Gärten, die an der Bahnstrecke
Palermo-Cefalù vorbeigleiten. Und sie machen sich auch trotzig in den hässlich-
sten Betonwinkeln Platz, von denen es leider überall dort, wo Menschen in die
Natur eingreifen, viel zu viele gibt. Etwa am Flussbet des Oreto, der am Stadtrand
von Palermo zu einer Kloake verkommen ist. Oder in Bagheria, der Stadt der
großen Villen- und Parkanlagen, die längst durch das Krebsgeschwür der Baus-
pekulation ihr Gesicht verloren hat. Zitronen leuchten auch im grauen Hafen von
Termini Imerese, wo 5000 Arbeiter des örtlichen Fiat-Werks jahrelang vergeblich
um ihre Arbeitsplätze kämpten. Bei Cefalù, wo im Museo Mandralisca der un-
bekannte Seemann von Antonello da Messina sein geheimnisvolles Lächeln zeigt,
taucht das in der Sonne glitzernde Meer im Zugfenster auf, und die Natur gewinnt
endgültig die Oberhand. Palmen und Eukalyptusbäume, blühende Wiesen, Ginster
und kratstrotzende Bougainville wirken wie Balsam auf die stadtwunden Seelen.
Und dazu die Zitronen natürlich.
Also nichts wie raus. Wo bite geht es hier zum Meer? Die Wände des Zimmers
sind aus lauter Türen gebildet, doch viele Türen sind verschlossen, und hinter an-
deren stößt man gegen eine Mauer. Irgendwo muss man doch hinaustreten
können! Das Meer rauscht auf vier großen Videoschirmen, die an der Seitenwand
über vielen alten Holztüren angebracht sind. Aber wo geht es zum richtigen Meer?
Hilfe! Wohin hat es den Besucher zum Abschied aus Italien verschlagen?
Ins Hotel. Ins vielleicht schönste Zimmer des Hotels »Atelier sul Mare« in
Castel di Tusa, wo man in Künstlerzimmern schlafen kann. Das ist keine
Designer-Herberge der üblichen Art, sondern ein Haus mit vierzig Zimmern, von
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