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Appetit kommt beim Lesen
Zum Essen gehört die Geselligkeit, aber es gibt auch Solitäre. Der zurzeit berüh-
mteste Einzelgänger bei Tisch ist vielleicht Commissario Montalbano, den der
sizilianische Erfolgsautor Andrea Camilleri ins Leben gerufen hat. Montalbano
isst am liebsten allein. Jedes Gespräch lenkt vom Genuss einer fangfrischen See-
barbe oder in Olivenöl gebackener Gambereti ab. Allein das Wort »Arbeitses-
sen« hält Montalbano für ein Sakrileg. »Die Idee mit dem Essen habe ich mir aus-
geborgt«, erzählte mir kürzlich Andrea Camilleri. »Ich habe die Idee von
Massimo Bontempelli. Der hat eine kleine Erzählung geschrieben über einen
Reisenden, der in ein merkwürdiges Dorf kam, wo es die Leute öfentlich mitein-
ander trieben. Sie liebten sich im Stehen, in den Hauseingängen, auf der Straße.
Als der Mann aber Hunger bekam und nach einer Tratoria fragte, hieß es nur:
›Psst, nicht so laut. Essen?‹ Das Essen war im Dorf obszön, nicht das andere, und
so führte man ihn heimlich an einen Ort, wo wenige einzelne, jeder für sich, am
Tisch saßen und still Gaumenfreuden genossen.«
Die Tratoria als Freudenhaus - Camilleri amüsierte sich köstlich über diese
Bontempelli-Idee, die er dann in seiner Bestsellerserie über den Commissario
Montalbano verarbeitet hat. Das ist nur ein weiterer, wenn auch sehr bildlicher
Beleg für den Lehrsatz: Für den Italiener - ob allein (selten) oder in Gesellschat
(ot) - bedeutet Essen reine Lust.
Übrigens, heißt es auf Deutsch »die Grappa« oder »der Grappa«?
Jedenfalls brauche ich jetzt einen Verdauungsschnaps.
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