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bei Konzerten auf das Publikum überträgt. Bei meinem Besuch kürzlich wurden
bei einem Gastspiel im Teatro La Fenice in Venedig und dann bei der Ab-
schlusskundgebung in der Villa Emo unweit von Asolo Werke von Francesco
Maria Veracini, Antonio Vivaldi und Niccolò Porpora gespielt.
Zur Geschichte der Musikbeziehungen zwischen Sachsen und Venetien gehören
auch Geschichten, die von Streit und Neid erzählen. Der Barockmusiker
Francesco Maria Veracini etwa, der in Venedig als Geigenvirtuose und Komponist
zu musikalischem Ruhm kam, wurde 1721 an den sächsischen Hof gerufen. Hier
sollte er zusammen mit dem Kronprinzen Friedrich August musizieren, Kam-
merkonzerte geben und die Anstellung italienischer Sänger an der Dresdner Oper
überwachen. Nach einem Streit mit deutschen Kollegen über die Gagen eines
Kastraten sprang Veracini vor Wut aus einem Fenster im zweiten Stock, zog sich
dabei schwere Brüche zu und hinkte bis zu seinem Tod 1768. Zum Glück hat Ul-
rike Gondolatsch bislang keinen Anlass zu einem solchen Fenstersprung gehabt.
Vermutlich auch, weil der passionierte Motorradfahrer Stefano Montanari nicht
nur mit viel italienischer Farbe dirigiert, sondern seine jugendlichen Künstler
während des Workshops mit geradezu deutscher Disziplin zum Musizieren an-
hält.
Die Feste und das Modell Mantua
Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Zum Beispiel Anfang September das
»Festival della mente« (»der Gedanken«) im ligurischen Sarzana mit seinen
21000 Einwohnern. Zu den 76 Veranstaltungen, bei denen unter anderem
Musiker, bildende Künstler und Wissenschatler über Kreativität und ihren Schaf-
fensprozess redeten, kamen an den drei Festivaltagen 40000 Besucher. Oder das
»Festivaleteratura« in Mantua, einem lombardischen Städtchen mit 48000 Ein-
wohnern: An fünf Tagen strömen regelmäßig 100000 Besucher zu den Lesungen
und Buchvorstellungen. Die emilianischen Kleinstädte Modena, Carpi und Sas-
suolo erwarten Massen zu ihrem »Festival Filosoia«. Im Jahr 2011 waren es
insgesamt 150000 Menschen, die sich Vorträge und Debaten zu philosophischen
Fragen anhörten. Bei mehr als fünfzig Lektionen und außerdem bei Ausstellun-
gen, Konzerten und gemeinsamen Abendessen ging es mit Gästen wie Marc
Augé, Zygmunt Bauman oder Remo Bodei um das hema fortuna , das mit
»Glück« nur unzulänglich übersetzt wäre.
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