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Die Gerichte verurteilten damals eine ganze Reihe von Politikern und Man-
agern. Einige, wie der Spitzenmanager des Montedison-Konzerns Raul Gardini,
nahmen sich das Leben. Der damalige Vorsitzende der sozialistischen Partei Bet-
tino Craxi, Ministerpräsident in den Achtzigerjahren und ein Freund von Silvio
Berlusconi, wurde endgültig zu einer langjährigen Hatstrafe verurteilt, entzog
sich jedoch dem Strafvollzug durch die Flucht ins Ausland und starb im Jahr 2000
in Tunesien. Noch heute gibt es viele Italiener, die ihn für einen Helden halten. In
dramatischen Monaten und Jahren veränderte sich damals unter dem Einluss der
Untersuchungen der Staatsanwaltschaten die Parteienlandschat. Mehr als zwan-
zig Jahre danach alarmieren diese Staatsanwälte wieder die italienische Öfent-
lichkeit: Die Form der Korruption mag sich verändert haben, die Praxis nicht.
Aber die Korruption ist nicht das einzige Übel, das die Schatenseiten Italiens
füllt. Dazu zählt auch die fehlende Aufarbeitung von politischen Gewaltaten in
den Siebziger- und Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Noch heute
wissen wir nicht alles über das konspirative Netz, das die Freimaurerloge »Propa-
ganda Due« unter ihrem Großmeister Licio Gelli über die demokratischen Struk-
turen gelegt hate. Und schließlich gibt es die verschiedenen Gruppen des organ-
isierten Verbrechens, die faktisch seit der Gründung des italienischen Staates vor
150 Jahren bis heute Teile des Staatsgebietes kontrollieren: die Maia. Bedrohlich
ist, dass die italienischen Maiaorganisationen längst die Landesgrenzen übersch-
ritten und unter anderem im westlichen Europa Fuß gefasst haben.
Die Strategie der Spannungen
Am 12. Dezember 1969 explodierte in der Schalterhalle der Filiale der italienis-
chen Landwirtschatsbank BNA an der Piazza Fontana in Mailand eine Bombe.
Bei dem Atentat kamen 17 Menschen ums Leben, 84 wurden verletzt. Das Land
war entsetzt, es kam zu Demonstrationen, Pier Paolo Pasolini schrieb ein großes
Trauergedicht. Denn Piazza Fontana ist in der italienischen Geschichte zu einem
Begrif geworden, der für das »Ende der Unschuld« steht, für den Eintrit der Ge-
walt in die politischen Auseinandersetzungen und den Beginn einer »Strategie
der Spannungen«. Diesen Begrif benutzte bereits wenige Tage nach dem
Mailänder Anschlag von 1969 die Zeitung »he Observer«. Das Londoner Blat
vermutete neofaschistische Drahtzieher hinter dem Atentat, das, wie kleinere
Anschläge in den Wochen zuvor, destabilisierend wirken sollte. Damit wollten
rechtsradikale Gruppen, die auch Verbindungen zu Geheimdiensten, Polizei und
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