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ein Italiener täglich rund 3 Stunden und 18 Minuten vor dem Fernseher, während
er sich ganze 14 Minuten der Lektüre der Tageszeitung widmet.
Fremdländisch muten dagegen Zugereisten zunächst die politischen Talkshows
an, bei denen die Einschaltquoten in die Höhe schießen, wenn sich die Teil-
nehmer anschreien. Mit der Tendenz, die Informationsprogramme immer mehr
wie Unterhaltungssendungen zu gestalten, nimmt Italien (leider) eine Vorreiter-
rolle für das restliche Europa ein. Ausnahmen wie die Show von Gad Lerner auf
La 7, zuletzt unter dem Titel »L'Infedele« (Der Ungläubige), bestätigen die Regel.
Die verschiedenen Nachrichtensendungen leiden (wie die Zeitungen) unter einer
Überdosis der cronaca nera , den Berichten über Kriminal- und Unglücksfälle.
Nach einer jüngsten Statistik widmet sich die Tageschau des ersten Kanals der
RAI diesen hemen doppelt so häuig wie BBC one oder mehr als zehn Mal so
viel wie die ARD-Tagesschau/Tagesthemen. Anderes, Opern, Kunst, Literatur,
lässt sich vielleicht im Spartenangebot der Bezahlplatform Sky aufspüren, wo
man auch einen sehenswerten und vor allem politisch weitgehend unabhängigen
Nachrichtenkanal inden kann. Aber meist wird Kultur in Nischen verbannt (et-
wa auf den Digatalkanal RAI 5). Eine Fernbedienung mit Nischenknopf jedoch ist
auch in Italien noch nicht erfunden worden.
Über das italienische Fernsehsystem wird laufend diskutiert. Derzeit gibt es
(noch) drei Kanäle der öfentlich-rechtlichen RAI, die vom Parlament kontrolliert
wird. Das bringt natürlich mit sich, dass sich eine gewisse politische Nähe zur je-
weils regierenden parlamentarischen Mehrheit in den Programmen nieder-
schlägt. Früher waren die Christdemokraten die unumstritenen Herren von RAI
Uno, während andere politische Gruppen ins zweite und drite Programm
abgeschoben wurden. Dann haben Silvio Berlusconi und seine Getreuen ihr Erbe
angetreten, als sie auch die Mehrheit im Parlament kontrollierten. Eine ganze
Reihe von kritischen und/oder missliebigen Journalisten mussten gehen. Das TG
1, einst Flaggschif der RAI und wichtigste Tagesschau des Landes, verbreitete
nur noch his master's voice und verlor auch in der Zuschauergunst seine
führende Stellung. Aber vor allem näherten sich die Programme der öfentlichen
Sender dem Niveau der kommerziellen auf eine erschreckende Weise an - das ist
das eigentliche Erbe Berlusconis. Das Ende ist ofen.
Die kommerzielle Art Fernsehen kann man auf den drei landesweit zu empfan-
genden Privatkanälen der Mediaset-Gruppe von Berlusconi: Canale 5, Italia 1 und
Rete 4 verfolgen. La 7, dem relativ unabhängigen vierten Privatkanal (er wird
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