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Das Ende eines Dauerwahlkampfs
Aber nach fast 18 Jahren Dauereinsatz hate sich die Sprache der Werbung in der
Politik abgenutzt. Kritik gerade aus den eigenen Reihen nahm zu. Der wirtschat-
liche Niedergang, das katastrophale Bild Italiens im Ausland, seine gegen null
tendierende politische Bedeutung in der Europäischen Union wie im westlichen
Bündnis ließen immer mehr Parteigänger Berlusconis an der Richtigkeit des
Kurses zweifeln - von den Peinlichkeiten seiner Privatgeschichten ganz zu sch-
weigen. Kirchliche Kreise wandten sich ab, die italienische Gesellschat bot ein
zerrissenes Bild, der Einzelne fühlte sich immer weiter verunsichert, und die
Politik versank im Zank. So war es kein Wunder, dass Berlusconi schließlich
nicht über zweifelhate Geschätsgebaren seiner Unternehmen, juristische Ver-
strickungen oder Sexafären stolperte, sondern am wirtschatlichen Niedergang
des Landes gemessen wurde, das er schlechter regiert hate als seine Privatun-
ternehmen. Dem (vor)lauten Träumer einer schönen Zukunt waren viele Italien-
er gern gefolgt, den Krisenmanager trauten sie ihm allerdings nicht mehr zu. Als
die Umfrageergebnisse und Beliebtheitswerte sanken, trat er schließlich wenige
Wochen nach seinem 75. Geburtstag vom Amt des Ministerpräsidenten zurück.
Mit der Regierung des Mailänder Wirtschatsprofessors Mario Monti kehrte dann
erst mal wieder Ruhe in die italienische Innenpolitik ein. Berlusconis Dauer-
wahlkampf war zu Ende.
Doch die Ruhe trog. Bei den Parlamentswahlen im Februar 2013 verlor Ber-
lusconis Parteienbündnis PDL zwar rund 16 Prozent der Stimmen, aber auch die
größte Oppositionspartei, der Partito Democratico (PD), musste herbe Verluste
hinnehmen und wurde nur knapp die stärkste Krat. So konnte Berlusconi eine
verheerende Wahlniederlage schönreden und sich als Königsmacher für kom-
mende Regierungen groß tun. Und eine erstaunte internationale Öfentlichkeit
fragte sich, trit der denn nie, obgleich auch mehrfach strafrechtlich verurteilt,
von der politischen Bühne ab? Inzwischen hate sich ein drites Lager eindrucks-
voll zu Wort gemeldet, eine heterogene Mischung von Protestwählern, jungen
Leuten und Systemveränderern. Unter der Führung des Kabaretisten und Blog-
gers Beppe Grillo aus Genua konnte das MoVimento 5 Stelle (M5S) aus dem
Stand heraus 25 Prozent der Wählerstimmen gewinnen.
Was will diese Fünf-Sterne-Bewegung? Ich bin in das Büro von Gianroberto
Casaleggio marschiert, der in Mailand eine Internetagentur leitet. Der pressesch-
eue Informatiker ist der theoretische Kopf der Bewegung. Beppe Grillo hat dage-
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