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gen nach außen die Rolle des Kommunikators und nach innen die des Leitham-
mels einer scheinbar unberechenbaren Gefolgschat übernommen. »Man muss
die Demokratie neu begründen«, sagt Casaleggio im Gespräch. Ausgangspunkt
seiner Überlegungen ist das Internet, welches das System der parlamentarischen
Repräsentanz infrage stellen könne. Der Staatsbürger werde in den Mitelpunkt
der Politik gerückt, könne sich im Netz über die Vorgänge in Parlamenten und
Ratsversammlungen informieren und direkt an den Entscheidungen teilhaben.
Wahlen und Abstimmungen inden online stat. Es werde keine Trennung der
Rollen mehr geben. »Alle Staatsbürger sind Politiker, und alle Politiker sind
Staatsbürger.« Die direkte Demokratie, so Casaleggio, sei »ein historischer Trend,
der sich mit der Zeit durchsetzen wird« - nicht nur in Italien. Um dahin zu kom-
men, um also nicht weniger als ein neues politisches System aufzubauen und die
traditionelle parlamentarische Demokratie abzuschafen, verweigern sich die
»Grillini«, wie sie auch genannt werden, heute jeder konstruktiven Regierungs-
verantwortung auf nationaler Ebene - was sie morgen tun werden, weiß man
noch nicht.
Die Parteienlandschat scheint sich in ein Schlachtfeld zu verwandeln, wo
jeder gegen jeden kämpt. Der Zustand der Innenpolitik des Landes ist dements-
prechend desolat. Innere Widersprüche und Führungskämpfe haben die
Begeisterung vieler Grillo-Anhänger gebremst. Parteiinterne Auseinandersetzun-
gen führten im Berlusconi-Lager zur Spaltung des PDL. Berlusconi reagierte da-
rauhin mit der Wiederbegründung seiner alten Partei Forza Italia. Die Abtrünni-
gen bildeten zusammen mit der PD unter Enrico Leta eine lagerübergreifende
Regierung. Dieser Partito Democratico schließlich, der aus ehemals linken
Christdemokraten, Linksliberalen und dem sozialdemokratischen Flügel der alten
Kommunistischen Partei entstanden ist, zeigt sich ebenfalls alles andere als
geschlossen. Mateo Renzi, Bürgermeister von Florenz, hat sich, auch Dank seines
populistischen Autretens, an die Spitze des PD gesetzt und macht seinem
Parteifreund Leta das Regieren schwer. Derweil lassen nationalistische und euro-
pafeindliche Kräte auhorchen. Wie das Land, das sich zudem in einer schwieri-
gen wirtschatlichen Situation beindet, aus diesem Zustand der Zerrissenheit
hinausinden will, scheint ein Rätsel. Doch hat Italien in der Not ot besonnene
Köpfe hervorgebracht und sich plötzlich beweglich gezeigt, wo alles festgefahren
schien.
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