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dagegen autrat, musste mit gewaltsamen Aktionen von Straßenbanden rechnen
und wurde anschließend auch noch in Schutzhat genommen.
Sicherlich war der Anschluss im Vergleich zur Bourbonenherrschat, die den
Süden in Armut, Unwissen und Rückständigkeit belassen hate, ein Fortschrit.
Aber die meisten Menschen haben ihn ebenso passiv erlebt und ertragen wie
vorher die Politik der Bourbonen. Giuseppe Tomasi di Lampedusa erzählt in
seinem großen Sizilienroman »Der Leopard« die Geschichte einer Epoche, in der
sich alles ändern musste, damit es so blieb, wie es war - das heißt, damit die alten
Kräte in neuem Gewand an der Macht bleiben konnten. Der sizilianische Schrit-
steller Andrea Camilleri, der seit Jahren mit seinen Kriminalromanen die italien-
ischen Bestsellerlisten beherrscht, hat neben seinen Krimis wundervolle Bücher
über die Probleme der Einigungsjahre geschrieben. Ohne Frage hat der Norden
den Süden gleichsam kolonialistisch behandelt und gedemütigt. Dennoch sagte
mir Camilleri in einem Interview, dass er »selbst unter der Folter« niemals be-
haupten würde, dass die italienische Einheit an sich dem Süden des Landes
geschadet habe. Das Problem sei die Art und Weise, wie sich diese Einheit vollzo-
gen habe. Und wie die regionalen Regierungen des Südens in der zweiten Hälte
des 20. Jahrhunderts mit ihren Autonomien umgegangen seien und sie verspielt
haben.
Ich habe deshalb nicht schlecht gestaunt, als ich vor ein paar Jahren eine
große, unter anderem von der Region Kampanien oiziell veranstaltete Ausstel-
lungsreihe über die Bourbonen in Neapel besuchte. Da wurde dieses her-
untergekommene Herrscherhaus als aufgeklärt, volksfreundlich und fortschrit-
lich präsentiert. Und ich fand eine ganze Reihe von Leuten in Neapel, die schein-
bar wie befreit von dem Unrecht erzählten, das mit der italienischen Einheit dem
Süden angetan worden sei. In jenen Tagen tauchte eine Bourbonenhymne aus
den Archiven wieder auf, die ausgerechnet von Verdi komponiert worden sein
soll. Verdi ein Bourbonenanhänger? Ein Lehrer sagte, endlich könne er frei über
den »Anschluss« reden, früher habe man solche hemen nur bei verschlossener
Tür behandeln dürfen. Ähnliche Stimmen kann man auch in anderen süditalien-
ischen Städten hören. Hier sind Stammtischdiskussionen gesellschatsfähig ge-
worden.
Ganz ähnlich übrigens verhielt es sich rund um die Lombardei mit der Lega
Nord. Aus einem gleichsam »wilden« Regionalismus (»Wir Lombarden und Ven-
eter wollen nicht länger Rom, Süditalien und die Maia inanzieren«; »Wir
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