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nicht aufgenommen«. Italien wurde dagegen »europäisiert«, und damit sei eine
Entwicklung eingetreten, die das Land nicht ausgehalten habe: »Die Italiener
wollten irgendwann auch so werden wie die anderen Europäer, wollten viel Ze-
ment, viel Stahl, viel Verkehr, viel Energie, viel Müll und konnten nicht mehr mit
ihren eigenen Instrumenten und Miteln umgehen.« Die beiden Gesprächspartner
setzen aber bald ihrem Pessimismus eine optimistischere Sicht entgegen. Denn
Italien sei, mehr als Griechenland, die Wiege Europas. Wenn wir glauben, dass
unsere Identität, dass unser Leben und der Wert des Lebens damit zusammenhän-
gen, was wir in den letzten 2000 Jahren gemacht haben, wenn also Geschichte
wichtig ist, »dann wird Italien unverzichtbar.« Italien, ein altes Wunderland in
neuer Unvertrautheit.
»Leben wir hier auf dem Mond?«
Italien hat sich rasant verändert, auch in den vergangenen zehn Jahren, seit ich
die erste Ausgabe dieser »Gebrauchsanweisung« geschrieben habe. Sogar die
Winde drehen sich im Lauf des Klimawandels. In Rom geht der Ponentino
zurück, der leichte, erfrischende Westwind, der vom Meer aus weht, dafür nimmt
der feuchte Schirokko aus dem Südosten zu. In der Toskana, etwa bei Livorno,
schwächt dagegen der schwüle, aber auch krätige Libeccio ab, der manchmal von
Südwest das Meer bis in die Stadt hineingetrieben hat, und wird von dem kühler-
en Grecale aus Nordosten ersetzt. So sind frische Eindrücke in den Text einge-
lossen. Manche Sichtweisen haben sich geändert, ich habe viel dazugelernt und
weiß doch, wie mir scheint, noch immer nicht genug über dieses alles in allem
wundervolle Land. Manchmal fühle ich mich wie ein ewiger Schüler. Einer von
denen, die in Lidias kleiner Sprachschule hier in Mailand in der Via Ponte Vetero
gegenüber der zauberhaten Piazza del Carmine, einen Grundkurs belegen. Da
lernen Manager, Studenten oder Au-pair-Mädchen nicht nur, Italienisch zu ver-
stehen und zu sprechen, sondern erfahren auch einiges über das Land. Das begin-
nt mit einfachsten kulturellen Grundregeln (keinen Cappuccino nach dem Essen
bestellen) und praktischen Tipps (Briefmarken kaut man nicht in der Post, son-
dern im tabacchi , dem Tabak-Shop - wenn man sie im Zeitalter von SMS und
MMS überhaupt noch braucht). Man redet etwa über Verhaltensmaßregeln bei
einem Privatbesuch (zum Abschied geht man nach der Ankündigung »Jetzt
wollen wir aber gehen« nicht ruck, zuck weg wie nördlich der Alpen, sondern
hält sich auch im Stehen noch eine geraume Zeit plaudernd bei den Gastgebern
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