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zweifelhaft, ob der EuGH hier ebenfalls eine Handelsbeschränkung annehmen wür-
de (anderer Ansicht ist Dederer 2010 , S. 121 f.). Sonst müsste bereits jede kleinste
örtliche Einschränkung von Verwendungen als Handelshemmnis angesehen wer-
den und der EuGH würde zum Richter über jedwede der tausendfachen nationalen
Verwendungsregelungen für Produkte.
Da es sich bei dem genannten Art. 26b aber bisher nur um einen Vorschlag
handelt, ist derzeit noch das geltende Recht anzuwenden. Dieses besagt in Art. 22
RL 2001/18, dass die Mitgliedstaaten „das Inverkehrbringen von GVO als Produkte
oder in Produkten, die den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen, nicht ver-
bieten, einschränken oder behindern“ dürfen. Hier stellt sich im Grunde die gleiche
Frage wie zu Art. 34 AEUV, nämlich, ob es sich bei den GVO-freien Zonen um Be-
schränkungen des Inverkehrbringens handelt. Die Antwort muss dabei ähnlich wie
oben ausfallen: Die Frage ist zu verneinen.
Ist sie dagegen zu bejahen, ist also von einer Beschränkung des Inverkehr-
bringens auszugehen, so ist eine Rechtfertigung nur unter sehr viel restriktiveren
Voraussetzungen zulässig als nach Art. 36 AEUV: Die Mitgliedstaaten können
dann nur im Wege des sog. Schutzklauselverfahrens nach Art. 23 RL 2001/18/EG
vorgehen, was aber voraussetzt, dass neue Informationen oder Erkenntnisse über
Gefahren des GVO vorliegen, die bei Erlass der Richtlinie bzw. Erteilung der IVB-
Genehmigung nicht vorlagen. Das ist für die Risiken der Gentechnik meist schwerer
nachweisbar.
Eine andere Möglichkeit, Abweichungen von der Richtlinie zu rechtfertigen, ist
das sog. Weitergehen nach Art. 114 Abs. 5 AEUV. Dies bedeutet, dass die Mitglied-
staaten „Alleingänge“ machen können, wenn diese (1) einen stärkeren Gesundheits-
oder Umweltschutz implizieren, (2) neue Erkenntnisse vorliegen und (3) ein neues
spezifisches Problem des betreffenden Mitgliedstaates gegeben ist. Eine Schutz-
verstärkung ist in der Tat anzunehmen, neue Erkenntnisse und neue spezifische
Probleme dagegen kaum.
Der nationale Alleingang in der Gentechnik hat die EU-Gerichte im Fall
Oberösterreich beschäftigt (EuGEI 2005 , EuGH 2007 ) . Dabei ging es um den Ge-
setzentwurf für das Oberösterreichische Gentechnik-Verbotsgesetz von 2002, der
für das ganze Land Oberösterreich den Anbau von Saat- und Pflanzengut, das aus
GVO besteht oder GVO enthält, sowie die Zucht und das Freilassen von transgenen
Tieren zu Zwecken der Jagd und der Fischerei verbieten sollte. Am 13. März 2003
unterrichtete die Republik Österreich die Kommission gem. Art. 95 (5) EGV (jetzt
Art. 114 (5) AEUV) über diesen Gesetzesentwurf. Die Kommission entschied, dass
eine Abweichung nicht zulässig sei. Die Voraussetzungen einer Abweichung, näm-
lich neue wissenschaftliche Erkenntnisse über Risiken und ein neues spezifisches
Problem des Mitgliedstaates, seien nicht gegeben. Hiergegen legte die Republik
Österreich Klage ein.
Das Gericht erster Instanz schloss sich der Entscheidung der Kommission an,
begnügte sich aber mit der Begründung, dass die kleinbetriebliche Landwirtschaft
und die betroffenen Ökosysteme, auf deren Schutz Österreich abgestellt hatte,
keine spezifisch österreichischen Probleme darstellten und auch nicht neu entstan-
den seien. Da das Verbot schon aus diesem Grund nicht gerechtfertigt erschien,
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