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1.2 Hintergrund und Ziel
Chancen und Risiken des Anbaus gentechnisch veränderter Organismen (GVO)
werden seit vielen Jahren bis heute kontrovers diskutiert. Dies zeigen die umfang-
reich dokumentierten Auseinandersetzungen am Runden Tisch Gentechnik, den das
BMBF zusammen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (BMELV) einberufen hat, nachdem die Ruhensanordnung der
Zulassung für den gentechnisch veränderten Mais Mon810 der Firma Monsanto
im Jahr 2009 weite mediale Beachtung gefunden hatte ( Kap. 16 ). An dem Run-
den Tisch war auch der GeneRisk-Verbund vertreten. Ein weiteres Beispiel, das
die Brisanz des Themas veranschaulicht, zeigte sich auf wissenschaftlichem Ge-
biet besonders zugespitzt - anhand des Streits über die Broschüre der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (2010) zur Grünen Gentechnik (GGT). Die DFG hatte ei-
ne populär gehaltene Broschüre vorgelegt, deren überwiegend positive Darstellung
der Gentechnik von Wissenschaftlern benachbarter Disziplinen kritisch hinterfragt
wurde. Der Disput drehte sich nicht nur um die Feststellung und Bewertung des
wissenschaftlichen Kenntnisstandes. Vielmehr ging es auch um die Frage, wer die
Kompetenz habe, sich zu GVO fachlich angemessen zu äußern und nach welchen
Regeln dies geschehen sollte. Kritisiert wurde unter anderem, die DFG-Broschüre
vermische beschreibende, erklärende und bewertende Aussagen zur GGT. Zudem
folge die Broschüre der „Systematik eines reduktionistischen Ansatzes, der primär
aus der Perspektive der Pflanzenzüchtung Potentiale der GGT ableitet.“ Erfor-
derlich sei jedoch ein „Bewertungsansatz
, der aus einem interdisziplinären
Diskurs gespeist wird, welcher die Standpunkte und die Expertise von den Sozial-
wissenschaften über die Ökologie und die Agrar- und Ernährungswissenschaften
im Sinne eines umfassenden Nachhaltigkeitsansatzes bündelt“ (Taube et al. 2011 ) .
Dem wird seitens der Autoren der DFG-Broschüre entgegengehalten, die Kritiker
argumentierten „
...
ähnlich wie zahlreiche einflussreiche Interessengruppen aus
dem nichtwissenschaftlichen Bereich mit vagen Vermutungen und nicht belegbaren
Behauptungen“ (Broer et al. 2011 ) .
Dies deutet den gespannten diskursiven Rahmen an, in welchem sich das
GeneRisk-Projekt bewegt und in welchem es eine interdisziplinäre Position ein-
nimmt, welche im Rahmen der sozial-ökologischen Forschung naturwissenschaft-
liche und sozialwissenschaftliche Erkenntnisebenen verknüpft. Diese und weitere
Diskussionen hat das Projekt im Hinblick auf die lokale, regionale, nationale und
internationale Ebene behandelt. Dabei geht es bei einer Verknüpfung der verschie-
denen Ebenen auch um die Gewinnung und Begründung einer Systematik, mit
der die Bezüge angemessen erschlossen werden können. Mit diesen unterschied-
lichen fachlichen Sachzusammenhängen sind auch immer spezifische räumliche
und zeitliche Dimensionen angesprochen, so z. B. Vorgänge, die in pflanzlichen
Zellen, in einem Pflanzenbestand und in Natur- und Kulturlandschaften ablaufen.
Um Chancen und Risiken von GVO abzuschätzen, sind Folgewirkungen des GVO-
Anbaus über die angesprochenen Raum- und Zeitbezüge sowie die verschiedenen
Systeme hinweg zu analysieren. Die Vielfalt systemischer Verknüpfungen spielt
hierbei eine besondere Rolle, da die landwirtschaftliche Produktion sowohl mit
...
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