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der Analyse von makroökonomischen Prozessen spielte. Dass bei hinreichend ho-
her Vernetzung der Ausfall einer „systemrelevanten“ Bank weitere Institute und
schließlich das gesamte Finanzsystem in den Abgrund reißen kann, ist spätes-
tens seit dem Bankrott der Lehman Bros. Bank Allgemeingut. Der Wirkungstyp,
nach dem in einem hochgradig verknüpften und engmaschig vernetzten System
eng umgrenzte Entwicklungen potenziell fundamentale Auswirkungen auf den ge-
samtsystemaren Zustand haben können, besitzt aber eine allgemeinere Bedeutung.
Er gilt, wie Futtermittelskandale und kürzlich das Auftreten des EHEC-Erregers
(Enterohämorrhagische Escherichia coli ) veranschaulichten, mit besonderer Durch-
schlagskraft in biologischen Systemen. So hat ein Bakterium, das bereits bekannte
Eigenschaften in neuartiger Kombination vereint, die verkauften Bockshornklee-
Keimlinge eines einzelnen Bauernhofes verunreinigt. Die Verknüpfungen über den
Landwirtschafts- und Lebensmittelsektor führten in der Folge nicht nur dazu,
dass auf Europäischer Ebene ein großer Teil des Gemüsemarktes zusammen-
brach. Per Importbeschränkungen folgten Auswirkungen bis in den russischen
Raum. Bakterielle Rekombination als Prozess im nano-skaligen Bereich verknüpfte
durch die Selbstvermehrung der biotischen Entitäten systemische Zusammenhän-
ge über mehrere tausend Kilometer Entfernung. Dieses Prinzip der Skalen- und
Wirkungsverknüpfung über einen weiten Bereich hinweg ist für systemische Ri-
siken charakteristisch und wurde im Rahmen der SÖF in verschiedenen Projekten
unterschiedlichen fachlichen Zuschnitts interdisziplinär untersucht:
Diese systemischen Risiken verfügen folglich über ein extrem hohes Schadenspotenzial.
Eine ursprünglich als harmlos eingeschätzte Risikoquelle (bspw. Chemikalien, Mobil-
funk) könnte über große Entfernungen oder nach einem Zeitraum der Latenz ungeahnte
Schäden entfalten, die die Funktionsfähigkeit der betroffenen Systeme (Umwelt, Gesund-
heit, Finanz- und Arbeitsmärkte, gesellschaftliches Zusammenleben u.a.), aber auch des
Ursprungssystems selbst, gefährden. Hinzu kommt, dass sich zwischen Ursache und Wir-
kungen über die eigentliche Quelle hinaus vielfach nur schwer direkte Zusammenhänge
nachweisen lassen. In aller Regel sind systemische Risiken durch ein hohes Maß an
Komplexität, Ungewissheit und Ambiguität gekennzeichnet.
Seit 2006 setzen sich fünf Projekte so brisanten Themen wie beispielsweise Übergewicht
und Adipositas bei Jugendlichen oder der Trinkwasserverunreinigung durch Arzneimittel-
wirkstoffe auseinander. Im Rahmen einer Verstetigungsstrategie haben die Projekte seit
2008 innerhalb des bestehenden Forschungsprojekts oder in Form eines Anschlussvorha-
bens ihr Forschungsspektrum erweitert. 2
Dies umreißt den Rahmen, in den das GeneRisk-Projekt eingebettet ist. Gen-
technik als molekularbiologisches Arbeitsgebiet verursacht bei ihrer Anwendung
Auswirkungen, die sich nur durch Hinzunahme der Expertise weiterer Diszipli-
nen angemessen erfassen lassen. Hierzu gehören nicht nur die Agrarwissenschaften
und die Ökologie, sondern auch Rechtswissenschaften, Ökonomie und weitere
gesellschaftswissenschaftliche Fachgebiete. In diesem Band fasst das GeneRisk-
Konsortium über die Einzelpublikationen hinaus wesentliche Projektergebnisse
im Überblick zusammen. Dabei werden verschiedene disziplinäre Standpunkte
eingenommen und verknüpft.
2 http://www.sozial-oekologische-forschung.org/de/626.php
 
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