Travel Reference
In-Depth Information
Der Storch
Wahrhaftig ließe sich Meister Adebar bald
als hiesiges Haustier bezeichnen, flöge er
nicht Mitte August schon wieder davon.
Wenn Wojtek (Adalbert), wie man den
Storch in Polen nennt, sein stattliches Nest
auf Masten und Dachfirsten baut, freut sich
der Bauer, denn es bedeutet, dass sein
Haus nicht vom Blitz getroffen wird und
das Glück Einzug hält. Niemals baut der
große weiße Schreitvogel mit den am Ende
schwarz eingefärbten Schwingen seinen
Horst an Orten, wo sich unterirdische Was-
serläufe kreuzen und deshalb dort der Blitz
einschlagen könnte.
Auch ist der Storch ein treuer Gevatter.
Nach seinem Winterausflug nach Afrika
kehrt er in das angestammte Nest in sei-
nem Heimatort zurück. Dort legt die Stor-
chendame bis zu vier Eier ab, die von ihr
und ihrem Gefährten arbeitsteilig während
den folgenden 30 bis 35 Tagen ausgebrü-
tet werden. Besonders zur Paarungs- und
Nistzeit ist die Luft von ihrem Schnabelge-
klapper erfüllt, weshalb man sie ja auch
„Klapperstörche“ nennt. Andere Laute gibt
der Weißstorch nicht von sich, er hat keine
Stimme.
Dafür verfügt sein schwarzer, sehr selte-
ner Verwandter gleich über ein sehr um-
fangreiches Klapperklangrepertoire. In Po-
len existieren noch etwa 1000 Schwarz-
storch-Paare, und während der Weiß-
storch die weiten Felder und ausgedehnten
offenen Feuchtgebiete liebt, scheut der
Schwarzstorch die Menschen. Er fühlt sich
in urwüchsigen, undurchdringlichen Wald-
landschaften wohl.
Rund 200 Hektar Jagdrevier benötigt
ein Storchenpaar, um seine hungrige Brut
großzuziehen. 360 Gramm Futter pro Kopf
und Tag - das sind 15 kleine Mäuse oder
60 Regenwürmer - müssen für die jungen
Schnabulierer, die immerfort aufgeregt ihre
langen schmalen Hälse aus dem Horst he-
rausstrecken, herbeigeschafft werden. Die
Ende Mai geschlüpften Jungvögel fressen
Würmer, Schnecken und Insekten, wohin-
gegen die bis zu 110 Zentimeter großen
Altvögel Mäuse, Fische und natürlich Frö-
sche bevorzugen und mühelos auch einen
ganzen Aal verschlingen können.
Mitte August beginnen die Störche, sich
auf den just abgeernteten Feldern zu sam-
meln. Hunderte der weißschwarzen Gesel-
len staksen dann über die Stoppeln, um
hier oder da noch einen Happen als Weg-
zehrung für ihre lange Reise zu schnappen.
Und so zutraulich, wie sie sich seit dem
Frühjahr den Menschen gegenüber verhal-
ten haben, so scheu sind sie nun mit einem
Mal und fliehen wie Rehe, sobald man sich
ihnen auch nur auf 50 Meter annähert.
Anders als ihre westeuropäischen Kolle-
gen, die im Frühherbst ihre Flugroute über
Gibraltar nehmen, ziehen die polnischen
Störche, wie alle anderen mittel- und osteu-
ropäischen Storchenverbände, über den
Bosporus, Kleinasien und das Rote Meer
nach Südafrika, von wo aus sie, sobald der
Winter vorbei ist, im darauf folgenden Jahr
in ihre Sommerheimat zurückkehren.
068po Foto: kj
In Polen heißt der Storch
nicht Adebar, sondern Adalbert
 
Search WWH ::




Custom Search