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schnell wieder auf die politische Agenda. Aus dem Ebro-
becken sollte eine 200 Kilometer lange Wasserleitung
nach Barcelona gebaut werden, ein Plan, der in anderen
Regionen mit Wasserdefizit, wie Valencia und Murcia,
auf heftigen Widerstand stieß. Zwischenzeitlich be-
schloss man eine Notversorgung Barcelonas mit Schif-
fen. Nachdem das erste „Wasserschiff“ die katalanische
Hauptstadt im Mai 2008 mit 20 000 Kubikmetern Trink-
wasser versorgt hatte, sorgten einsetzende Starkregen für
eine Entspannung der Lage. Die katalanische Handels-
kammer forderte, aufgrund der Niederschläge die Was-
serlieferungen per Schiff einzustellen, weil dadurch das
Image von Barcelona Schaden nehme (Der Stern 2008).
Seitdem gehen die Wasserkriege über die neuen regiona-
len Verordnungen weiter.
Die Regierung fördert seit dem Jahr 2004 mit Nach-
druck die Dezentralisierung und Regionalisierung der
Wasserverwaltung. So wurde seit 2007 in Neukastilien,
Altkastilien (Castilla-León) und Andalusien die Wasser-
gesetzgebung, -planung und -verwaltung den regiona-
len Administrationen unterstellt mit weitgehenden
rechtlichen Folgen und Unklarheiten in Bezug auf insti-
tutionelle Verantwortlichkeiten. Im Falle Andalusiens
wurden beispielsweise in schneller Folge neue Ver-
ordnungen erlassen, dann wurde die Verwaltung des
Guadalquivir-Beckens vom Staat auf die Region über-
tragen, und erst dann wurde ein neues regionales Was-
sergesetz verabschiedet, unter Missachtung etlicher gül-
tiger nationaler Rechtsregeln. Unter anderem wurden
die bisher institutionalisierten „Bewässerungsgemein-
schaften“ (Körperschaften des öffentlichen Rechts), zu
„Nutzern“ abgestuft und dadurch auch ihr rechtlicher
Status beschnitten.
Außerdem wurden die städtischen Wasserbehörden
dazu verpflichtet, zusätzliche Wassersteuern und -ge-
bühren zugunsten der Regionalverwaltung einzutreiben.
Hinzu kommt, dass im Jahr 2010 zwei verschiedene
Wassergesetzgebungen bestanden und zum Teil heute
noch bestehen: das nationale Wassergesetz aus den Jah-
ren 1985 bis 2000 sowie ein erstes Regionalgesetz, das
aber einen Monat später schon widerrufen wurde und
mit erheblichen Änderungen danach wieder in Kraft trat.
Gegen diese rechtlichen Ausuferungen wurden inzwi-
schen Klagen vor dem spanischen Verfassungsgericht,
dem spanischen Obersten Gerichtshof, dem Verwal-
tungsgericht und selbst vor dem Europäischen Gerichts-
hof erhoben.
Drei feuchte Winter hintereinander machen keinen
Trend aus, gerade in Spanien ist eine neue Dürrephase in
naher Zukunft sehr wahrscheinlich. Trotz der vollen
Stauseen, die es momentan erlauben, drei bis vier Dür-
rejahre zu überbrücken, sollte Spanien zügig an einer
langfristigen und nachhaltigen Lösung der Wasserpro-
blematik arbeiten. Zudem hat sich Spanien verpflichtet,
bis 2015 die vor 10 Jahren verabschiedete Europäische
Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/CE umzusetzen. Noch
ist man jedoch dank der widersprüchlichen Regional-
planungen weiter denn je von diesem Ziel entfernt.
Weitere Hinweise auf verfehlte Wasserwirtschaftspla-
nungen liefert der undurchdachte Bau einiger größerer
Staudämme. Wie schon Joaquín Costa, der Urvater der
spanischen Wasserverwaltung, vor 100 Jahren schrieb,
gibt es noch immer Staudämme ohne Kanäle und Ka-
näle ohne Wasser (Costa 1911), zum Beispiel den Damm
von Melonares bei Sevilla: Dieser wurde mit europä-
ischen Fördergelder des Strukturfonds EFRE (Europä-
ischer Fond für Regionalentwicklung) erbaut unter der
Annahme, die darunterliegenden Bewässerungskanäle
zum Wassertransport verwenden zu können. Allerdings
sind diese Eigentum der Bewässerungsgemeinschaft von
El Víar und sie verlaufen offen, sind also ungeeignet für
den Transport von Trinkwasser. Zudem hat der Kanal
eine zu geringe Kapazität, um gleichzeitig das Stadtwas-
ser und das Bewässerungswasser aufzunehmen. Sollten
die benötigten Kanäle bis 2013 nicht erbaut sein, muss
Spanien die EU-Gelder zurückbezahlen.
Ähnliches gilt für den Staudamm von Rules am Fuß
der Sierra Nevada, ebenfalls zu 65 Prozent mit EFRE-
Geldern gebaut. Dieser dürfte im Probebetrieb eigent-
lich nur zu 50 Prozent gefüllt sein, ist jedoch momentan
zu 90 Prozent voll. Kanäle, die das Wasser auf die Felder
der Küstengemeinden Motril, Salobreña und Carchuna
führen könnten, sucht man vergeblich. Damit sind die
Landwirte nach wie vor darauf angewiesen, das Wasser
unter hohem Energie- und Kostenaufwand aus dem Río
Guadalfeo in die küstennahen Kanäle mehrere Hundert
Meter hochzupumpen.
Zahlreiche weitere Beispiele könnten hier angeführt
werden, wobei nicht allein Fehlplanungen für die Situa-
tion verantwortlich sind: Die Stromerzeugung mit Was-
serkraft ist ein rentables Geschäft und es ist nicht auszu-
schließen, dass hierbei gesamtgesellschaftliche Schäden
mit dem Ziel betriebswirtschaftlicher Renditen ignoriert
werden. In diesem Sinne sollte die EU nicht nur Richtli-
nien erlassen und Gelder vergeben, sondern auch die
Kontrolle der Maßnahmen ausüben. Dies fällt klar in
den Aufgabenbereich des Europäischen Amts zur Kor-
ruptionsbekämpfung OLAF (frz. Office Européen de
Lutte Anti-Fraude ).
Aber nicht nur in der Wasserversorgung, sondern
auch im Bereich der Abwasserwirtschaft gibt es noch
starke Defizite. Gerade der ländliche Teil Andalusiens
liegt beim Bau und Betrieb von Kläranlagen noch
immer weit hinter dem europäischen Durchschnitt. So
wartet die touristisch hoch frequentierte Costa del Sol
seit 1982 auf eine vollständige Sanierung. Wahlpoliti-
sche Versprechen gab es seitens der Regionalregierung in
den letzten 30 Jahren regelmäßig, aber noch immer hat
Torremolinos, eine Hochburg des europäischen Tou-
rismus, keine Kläranlage, während in Mijas nicht einmal
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