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Prinzipiell wird der ganze europäische Raum von Kli-
maveränderungen betroffen sein, die sich jedoch regio-
nal unterschiedlich manifestieren werden. Zahlreiche
Regionalstudien, die kleinskalige Verhältnisse berück-
sichtigen und entsprechend hochauflösende Prognosen
ermöglichen, ergeben heute ein detailliertes Bild der in
Europa zu erwartenden Klimaveränderungen.
So wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die winterliche
Erwärmung ihren Schwerpunkt im Osten Europas fin-
den mit noch immer einer betonten Erwärmung der
Wintertemperaturen in Nordeuropa, wohingegen vor
allem in Südwesteuropa, Südfrankreich und der Iberi-
schen Halbinsel mit stark steigenden Temperaturen
während der Sommermonate zu rechnen ist, die auch
die Höchstmarke der Erwärmung aller Modelle von
5,5 °C lokal noch überschreiten können (Solomon et al.
2007).
Ähnlich sieht es bei der prognostizierten Nieder-
schlagsentwicklung aus: Für Nord- und Zentraleuropa
ist vor allem während des Winterhalbjahres aufgrund
gesteigerter Zyklonenaktivität mit einer Steigerung
der Niederschlagsmengen zu rechnen. Möglicherweise
etwas abgeschwächt wird auch Westeuropa von steigen-
den Niederschlagswerten während des Winterhalbjahrs
profitieren. Hingegen ist es sehr wahrscheinlich, dass die
sommerlichen Niederschläge deutlich abnehmen wer-
den. Im Süden Europas weisen die Modellergebnisse
lokal bis zu 70 Prozent Rückgang des Niederschlags auf.
Dies ist vor allem unter Berücksichtigung des durch die
Erwärmung der Hochgebirgslagen Europas deutlich ver-
minderten Wasserspeichervermögens der dort vorhan-
denen Schneedecke eine dramatisch zu nennende Ent-
wicklung. Dadurch wird sich die ohnehin schon
angespannte Wasserhaushaltslage in Südeuropa insge-
samt verschärfen. Inwieweit die ohnehin natürlicher-
weise existente Sommertrockenheit bilanztechnische
Auswirkungen haben wird, ist nicht abschließend ge-
klärt. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Wasserknapp-
heit lokal kritische Werte erreichen wird und gegebe-
nenfalls zur Aufgabe hergebrachter Nutzungsformen
der Landschaft führen wird.
Zusammenfassend betrachtet ist es jedoch sehr wahr-
scheinlich, dass das wirtschaftlich starke Europa den
Herausforderungen, die der Klimawandel an die Wirt-
schafts- und Sozialstruktur stellt, gewachsen sein wird.
Negative Auswirkungen auf die Menschen werden, so
dies wirtschaftlich opportun erscheint, im Vergleich zu
den ärmeren Nachbarstaaten vergleichsweise leicht
überwunden werden können, respektive die Betroffenen
werden sich unter Aufbietung eigener Ressourcen schüt-
zen können. Ärmere Kontinente oder auch bereits wirt-
schaftlich schlechter gestellte Staaten Europas werden
ihre Bürger nicht mit der notwendigen Resilienz gegen-
über unvorteilhaften Klimaentwicklungen versorgen
können und mit gravierenden negativen Folgen für die
Bevölkerung und die Natur rechnen müssen. Es bleibt
für alle Emittenten klimawirksamer Gase in wirtschaft-
lich hoch entwickelten Ländern nach wie vor ein mora-
lischer Handlungsimperativ, durch Verringerung der
Emissionsmengen und umweltorientierte Veränderung
des Handelns die Auswirkungen des Klimawandels so
gering wie irgend möglich zu halten.
Noch verharrt die Welt, wie Schellnhuber (2009) es
ausdrückte, im holozänen Klimabetriebsmodus. Es ist
jedoch nicht unwahrscheinlich, dass bei fortschreitender
Klimaerwärmung Schwellenwerte im Klimasystem der
Erde erreicht und überschritten werden, die das Klima-
system in bisher nur schwer abzuschätzende Betriebs-
modi überführen könnten. Aus der Paläoklimafor-
schung ist bekannt, dass das Klima des atlantischen
Raums sich in der Vergangenheit mehrfach binnen
kürzester Zeit, das heißt in wenigen Jahrzehnten, dra-
matisch verändert hat. Ein Antrieb für solch drastische
Veränderungen wird im Süßwassereintrag in den Nord-
atlantik vermutet - ein Thema, welches im aktuellen
Klimawandeldiskurs in Bezug auf die schmelzenden
Gletscher Grönlands hohe Aufmerksamkeit genießt.
In seiner Rede am 15.11.2006 auf der UN-Klimawan-
del-Konferenz in Nairobi fasste der damalige UN-Gene-
ralsekretär Kofi Annan die Problematik des aktuellen
Diskurses um den Klimawandel folgendermaßen zu-
sammen: „Climate change is not just an environmental
issue, as too many people still believe. It is an all-encom-
passing threat. […] also a threat to peace and security.
[…] Let no one say we cannot afford to act. It is increasing-
ly clear that it will cost far less to cut emissions now than to
deal with the consequences later. […] The question is not
whether climate change is happening or not, but whether,
in the face of this emergency, we ourselves can change fast
enough.” („Klimawandel ist nicht nur eine Umweltfrage,
wie zu viele Menschen noch immer glauben. Es ist eine
allumfassende Bedrohung. […] auch eine Bedrohung
für Frieden und Sicherheit. […] Lassen wir niemanden
sagen, dass wir es uns nicht leisten könnten zu handeln.
Es wird immer deutlicher, dass es weit weniger kosten
wird, jetzt die Emissionen zu verringern, als später mit
den Konsequenzen leben zu müssen. […] Die Frage ist
nicht, ob es den Klimawandel wirklich gibt, die Frage ist,
ob wir uns selbst angesichts dieser Katastrophe schnell
genug ändern können.“)
Es bleibt bei jedem Einzelnen die Zeichen der Zeit für
sich zu deuten.
Klimaschutz auf europäischer Ebene
Fabian Sennekamp, Rüdiger Glaser
und Karl-Reinhard Volz
Die Europäische Union sieht sich im Kontext interna-
tionaler Klimavereinbarungen als Vorreiter im Klima-
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