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Der „ökologische Fußabdruck“ der Europäerinnen
und Europäer hinterlässt Spuren der Umweltzerstörung
auf dem gesamten Planeten. Die Ungleichheit des öko-
logischen Fußabdrucks der Menschen in verschiede-
nen Weltregionen und in den einzelnen Ländern der
Erde ist die Kehrseite der Ungleichheit der Verteilung
von Einkommen und Vermögen und daher auch von
(monetären) Anrechten auf Naturverbrauch. Wer viel
Geldeinkommen hat, kann mehr reisen, sich größere
Wohnungen oder schnellere Autos leisten. Die EU ist
im Vergleich der Weltregionen reich, und daher ist auch
der Naturverbrauch sehr groß. Vereinfacht formuliert:
Der globale Naturverbrauch ist höher als die Biokapa-
zität und überschreitet die natürliche Regerationsfähig-
keit. Das Ecological Footprint Network kommt zu dem
Resultat, dass die EU einen Naturverbrauch hat, der
mehr als 50 Prozent über den Kapazitäten der Bio-
sphäre und der anderen Sphären des verfügbaren Um-
weltraums liegt. Mit der kolonialen Durchdringung der
Welt haben die Europäer auch ihre Art von Naturver-
brauch und -schädigungen in alle Welt exportiert.
Ein Indikator, mit dessen Hilfe sich messen lässt, wel-
che Umweltbelastungen durch Konsum in Europa ent-
stehen, ist der „ökologische Rucksack“ von Waren. Die-
ser gibt an, welche Menge an Ressourcen benötigt
wurde, um ein Produkt herzustellen, zu nutzen und zu
entsorgen. Mithilfe dieses Indikators zeigt Dittrich
(2010), dass eine zunehmende Verlagerung von Um-
weltbelastungen aus Europa in ärmere Länder stattfin-
det. Europa konsumiert also Leistungen, deren Umwelt-
schäden (z. B. durch Tagebau oder Ressourcenverbrauch)
in anderen Erdteilen in Erscheinung treten. Seit den
1970er-Jahren verzeichnet Dittrich dabei vor allem für
Mitteleuropa eine deutliche Zunahme im Export von
Umweltbelastungen. Bei der Betrachtung der globalen
Umweltbelastung fällt auf, dass generell Staaten mit hö-
herem Pro-Kopf-Einkommen eher Umweltbelastungen
verlagern, während Staaten mit geringem Pro-Kopf-
Einkommen tendenziell Umweltbelastungen überneh-
men (Abb. 8.15). Dieses Schema zeigt sich auch inner-
halb von Europa, indem beispielsweise Deutschland
Umweltschäden in osteuropäische Transformationslän-
der überträgt.
Diese Entwicklung zeigt sich besonders deutlich in
dem rapiden Anstieg bei der Einfuhr von Halbfertigwa-
ren und Fertigwaren. In Deutschland ist deren Import
zwischen 2000 und 2008 um 52 Millionen Tonnen ge-
stiegen, die Einfuhr von Rohstoffen um 32 Millionen
Tonnen, während die Rohstoffentnahme im Inland um
123 Millionen Tonnen reduziert wurde. Dadurch kann
die CO 2 -Bilanz Deutschlands zwar offiziell verbessert
werden, die durch Konsum verursachten Emissionen
steigen jedoch. Ebenso werden eigene Ressourcen ge-
schont, während Rohstoffe aus dem Ausland importiert
wurden (Statistisches Bundesamt 2010). Clapp (2001)
konstatiert global einen Anstieg ausländischer Direktin-
vestitionen in besonders umweltbelastende Produk-
tionseinrichtungen, die oftmals mit überholter Technik
und Ausstattung arbeiten. Neben der generell höheren
Umweltbelastung der Zielländer führt dies zu zwei wei-
teren Problemen: Zum einen sind ärmere Länder oft
deutlich schlechter in der Lage, die bestehenden Risiken
so zu regulieren, dass Umwelt und Gesundheit der
Bevölkerung geschützt werden können. Darüber hinaus
behindert der Export von Umweltrisiken die Anwen-
dung von saubereren Produktionsmethoden, sowohl in
reichen als auch in armen Ländern, weil von den inves-
tierenden Unternehmen Umweltschäden in den Ziellän-
dern (oftmals auch aufgrund laxerer Gesetzeslagen) in
Kauf genommen werden (Clapp 2001).
Von dieser Entwicklung sind vor allem die Bilanzen
Chinas betroffen. Während sich Europa damit rühmt,
die auferlegten Emissionsreduktionsziele zu erreichen,
steigen die chinesischen Emissionen weiter an. Ein
Großteil dieser Emissionen wird jedoch nicht aufgewen-
det, um den eigenen Lebensstil zu verbessern, sondern
Der Export von Emissionen
und Umweltbelastungen
Annika Mattissek und Rüdiger Glaser
Auf den ersten Blick scheint Europa bei der Reduzie-
rung von Umweltbelastungen durch industrielle Pro-
duktion deutliche Fortschritte zu machen. So berichtete
die Europäische Kommission 2010, dass die Treibhaus-
gasemissionen in der EU im Jahr 2008 um weitere 2 Pro-
zent gesunken seien, obwohl die Wirtschaft gleichzeitig
um 0,6 Prozent gewachsen war. Insgesamt lagen die
Emissionen 2008 damit in den 15 alten EU-Staaten
6,9 Prozent unter dem Level des Basisjahres (in den
meisten Fällen 1990), und die EU ist damit auf dem
besten Weg, ihr Kyoto-Ziel zu erreichen. Damit sei ge-
zeigt worden, dass Wirtschaftswachstum und Einspa-
rungen von Emissionen durchaus miteinander verein-
bar seien (Europäische Kommission 2010). Doch lässt
sich aus diesen Zahlen tatsächlich schließen, dass in
Europa im Schnitt in den letzten Jahren nachhaltiger
gewirtschaftet wurde?
Schaut man genauer hin, so muss konstatiert wer-
den, dass die Reduktion der Umweltbelastungen, insbe-
sondere der CO 2 -Emissionen in Europa, keineswegs
durch Einschränkungen des Konsums verursacht sind.
Vielmehr treten Umweltverschmutzungen und CO 2 -
Emissionen in Folge der Produktion von Waren für den
europäischen Markt nach wie vor auf - nur finden
diese zunehmend nicht mehr in Europa selbst statt,
sondern werden in andere, zumeist ärmere Länder, ver-
lagert.
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