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Binnenschiffsverkehr ursprünglich die Evolution der
siedlungs- und wirtschaftsräumlichen Strukturen be-
stimmt.
Stetige organisatorisch-technische Innovationen in
der Logistik sowie der wachsende Wettbewerbsdruck
unter den europäischen Transportunternehmen bzw.
Hafenstandorten haben in den letzten Dekaden neue
Rahmenbedingungen geschaffen, denen sich Netzkno-
ten, Verkehrstrassen und -träger je spezifisch anpassen
müssen. Der logistische Strukturwandel hat zur Planung
und Steuerung integrierter Logistik- bzw. Wertschöp-
fungsketten geführt und See- wie Binnenschiffsverkehr
stark verändert. So spielt im Kontext der Spezialisierung
und Globalisierung der Seeschifffahrt die Containerisie-
rung, das heißt der Transport und Umschlag von Gütern
in genormten Standardbehältern, heute eine zentrale
Rolle. Die Liberalisierung der Transportmärkte in Eu-
ropa (EU-Binnenmarkt) bzw. weltweit hat einerseits
zum Wachstum des Seeschiffsverkehrs geführt; anderer-
seits ist der Binnenschiffsverkehr gegenüber den ande-
ren Verkehrsträgern zunehmend zurückgefallen, was
nicht zuletzt auf logistische Strukturveränderungen
zurückgeführt wird (sinkende Sendungsgrößen, ver-
dichtete Transporttakte, steigender Güterwert). Aus-
druck dieses Strukturwandels ist auch das Auftreten
neuer Unternehmenstypen wie Reedereien oder Termi-
nalbetreibern, die anders als traditionelle Hafenbetriebe
bzw. -nutzer nicht mehr am Einzelstandort, sondern in
den globalen Netzwerkstrukturen der Transportwirt-
schaft tätig sind. Mit Blick auf die durchgängige Steue-
rung der Logistikketten hat auch die Verzahnung von
see- und landseitigen Aktivitäten eine zunehmende
Bedeutung erlangt, etwa bezogen auf die Abwicklung
von Seehafenhinterlandverkehren.
Durch diese Entwicklung ist die traditionelle Domi-
nanz des Hafenstandortes über die seeschiffsgebundene
Wertschöpfung verloren gegangen, zugunsten der über-
greifenden Organisation von Logistikketten in Netzwer-
ken. Hafenstandorte sind immer weniger gateways , also
Einfallstore des Verkehrs und Versorger eines großen
Hinterlandes, sondern zunehmend Teil eines übergrei-
fenden logistischen Netzwerkes, das von vielen verschie-
denen Stellen und Akteuren aus gesteuert wird (Nuhn
2005) und immer stärker globalen Funktions- bzw. Ver-
wertungslogiken unterliegt. Mit diesem Wandel der
Wertschöpfungsaktivitäten verändert sich auch ihre
Standortbindung, mithin die Geographie der maritimen
Wirtschaft.
küste, auf der Ostsee sowie auf dem Mittelmeer. Der
wichtigste europäische Schifffahrtsweg im Binnen-
schiffsverkehr ist eindeutig der Rhein, der auch als wich-
tige Hinterlandachse des Seehafens Rotterdam dient
und über den im Jahr 2008 ein Güteraufkommen von
ungefähr 210 Millionen Tonnen transportiert wurde.
Weitere bedeutende Wasserstraßen sind die Donau,
allerdings mit einem deutlich geringeren Transportvolu-
men (ca. 11 Millionen Tonnen), sowie die Seine (Frank-
reich) zwischen Paris und Le Havre. Nennenswerter
Schiffsverkehr herrscht auch an den Unterläufen von
Ems, Weser und Elbe in Norddeutschland sowie in den
Mündungsbereichen von Maas, Rhein und Schelde in
den Niederlanden bzw. in Belgien (im Zu- und Ablauf
der beiden großen Seehäfen Rotterdam und Antwer-
pen). Im 20. Jahrhundert hat - neben dem Ausbau der
Flusssysteme - die Errichtung der Kanalnetze zu einer
beträchtlichen Ausweitung der Binnenschifffahrt ge-
führt. Wichtige Beispiele sind hier der Nord-Ostsee-
Kanal, der Dortmund-Ems-Kanal, der Mittellandkanal
oder zuletzt der Rhein-Main-Donau-Kanal in Deutsch-
land, der Albertkanal in Flandern oder die aktuell in Bau
befindliche Verbindung zwischen dem Stromsystem der
Seine in Nordfrankreich und den Seehäfen Belgiens bzw.
der Niederlande.
Trotzdem ist die Binnenschifffahrt für den Güter-
transport heute nur noch abschnittsweise relevant, ihre
Bedeutung im Verkehrsgeschehen insgesamt rückläufig.
Ein möglicherweise steigendes Transportaufkommen
wird nicht nur durch die genannten Strukturverände-
rungen auf den Transportmärkten begrenzt. Angebots-
seitig stellt die kostspielige Anpassung der Infrastruktu-
ren (Schleusen, Brücken, Tiefgang) an wachsende
Schiffsgrößen, die ein wirtschaftlicher Einsatz dieses
Verkehrsträgers erfordern würde, ein Problem dar. Be-
trachtet man jedoch nicht nur Transportmengen, son-
dern auch spezifische Leistungsmerkmale der Binnen-
schifffahrt (relativ verkehrssichere, kostengünstige und
umweltfreundliche Transportart), so kann diese punk-
tuell durchaus Beiträge zur Entlastung der anderen Ver-
kehrsnetze leisten, vor allem im Verbund sogenannter
„tri-modaler“ Transportkonzepte, also der Kombination
von Straßen-, Schienen- und Wasserstraßenverkehr.
Viele kleinere Flüsse und Kanäle, die früher auch für den
Güterverkehr Bedeutung hatten und zahlreiche Binnen-
häfen bedienten, spielen logistisch keine Rolle mehr und
dienen heute vorwiegend der Freizeit- und Sportschiff-
fahrt (Nuhn & Hesse 2006).
Das System der europäischen
Schifffahrtswege
Das System der europäischen
Hafenstandorte
Unter den europäischen Schifffahrtsrouten insgesamt
dominiert der Seeschiffsverkehr entlang der Nordsee-
Die europäische Seeschifffahrt ist in den vergangenen
zwei bis drei Dekaden stark gewachsen. Unter den gro-
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