Geography Reference
In-Depth Information
Exkurs 2.1
Historische Naturkatastrophen in Europa und ihre
gesellschaftliche Relevanz
Santorin und Minos
Im Jahr 1600 v. Chr. explodierte der Vulkan auf Santorin, der
südlichsten Insel der Kykladen im Ägäischen Meer (Grie-
chenland). Dabei wurde die Insel weitgehend zerstört. Die
Eruption ging einher mit starken Erdbeben, Ascheregen und
gewaltigen Tsunamis von bis zu 9 Metern Höhe, die sich in
weiten Bereichen des Mittelmeeres auswirkten. Nach wie
vor wird darüber spekuliert, ob dieser Ausbruch der Auslö-
ser des Unterganges der minoischen Kultur gewesen sein
könnte, die als eine der ersten europäischen Hochkulturen
gilt. Santorin kann heute als aktiver Vulkan im momentanen
Ruhezustand bezeichnet werden.
„Erdbidem“ von Basel
Beim „Erdbidem“ vom 18. Oktober 1356 in Basel stürzten
nicht nur alle Kirchen mitsamt dem Münster ein, sondern
auch Abschnitte der Stadtmauer sowie zahllose Türme und
Häuser. Tage andauernde Brände waren eine Folge dieser
Katastrophe, ebenso die Überschwemmungen der durch
Trümmer aufgestauten Birs. Das Erdbeben war so gewaltig,
dass in den Quellen von 34 zerstörten Schlössern, Burgen
und Dörfern berichtet wird und selbst im 100 Kilometer ent-
fernten Straßburg noch Schornsteine und Giebelteile ein-
stürzten. Monatelang sollen täglich Nachbeben gespürt
worden sein (Leydecker 2004). Aus derartigen Beschrei-
bungen und den räumlichen Auswirkungen kann unter
anderem auf die Stärke und Intensität geschlossen werden.
Historische Beben werden heute in moderne Risikobetrach-
tungen einbezogen. Das Basler Ereignis wird unter anderem
dazu benutzt, das Erdbebenrisiko des Atomkraftwerks Fes-
senheim im Elsass zu bewerten.
Plinius und Pompeji
„[…] eine Wolke von ungewöhnlicher Größe und Gestalt,
zuweilen glänzend weiß, zuweilen schmutzig und fleckig […]
Die Flammen und der Geruch des Schwefels als Vorbote
des Feuers [trieben] die anderen in die Flucht […] und alles
[war] von einer dicken Schicht Asche wie von Schnee
bedeckt […]“ (Plinius, Brief 16 und 20, Buch 6). Diese
Beschreibung von Plinius verdeutlicht den dramatischen
Beginn der Vesuv-Eruption im Jahre 79 n. Chr., bei der die
Städte Pompeji und Herculaneum mit Bimsstein, Asche und
Schlamm bedeckt und weitgehend zerstört wurden. Die
detaillierte Beschreibung von Plinius wurde auch namens-
gebend für Ausbrüche dieser Art, den plinianischen Typ.
Einen Eindruck der grausamen Folgen vermittelt Abbil-
dung 1.
Lissabon 1755: Selbst Weltbilder kamen
ins Wanken
Bei der Lissaboner Erdbebenkatastrophe von 1755 kamen
rund 60 000 Menschen ums Leben. Das Epizentrum lag im
Atlantik, etwa 220 Kilometer vor Lissabon. Es löste unter
anderem einen gewaltigen, etwa 30 Meter hohen Tsunami
aus und war in ganz Europa zu spüren. Unzählige Wissen-
schaftler, Künstler und Militärs beschäftigten sich mit die-
sem Ereignis. Es irritierte den optimistischen Zeitgeist der
Aufklärung, die Idee eines harmonischen und wohlwollen-
den Universums in seinen Grundfesten. Als Erklärung
bemühte man wieder einmal den Zorn Gottes, die Schlech-
tigkeit des menschlichen Seins oder kommentierte es - wie
Voltaire - mit bissigem Sarkasmus. Es war, wie ein Buchti-
tel treffend zum Ausdruck brachte „Die Erschütterung der
vollkommenen Welt“ (Breidert 1994).
Laki 1783/84 und Eyjafjallajökull 2010 -
Island damals und heute
1783 berichten zahllose Quellen von Höhenrauch, Neben-
sonnen und einem ätzenden Gestank in der Luft. Anhand
der frühen meteorologischen Aufzeichnungen der Societas
Meteorologica Palatina kann die Ausbreitung der auf Erup-
tionen der Laki-Spalte zurückzuführenden Himmelserschei-
nungen tagesgenau nachvollzogen werden (Abb. 2). Es war
der Auftakt einer Reihe weiterer spektakulärer Naturer-
Abb. 1 Erdbebenopfer des Vesuvausbruchs 79 n. Chr. Ex-
ponat der Pompeji-Ausstellung im Mannheimer Reiss-Engel-
horn-Museum 2004 (Foto: Rüdiger Glaser).
Fortsetzung
Search WWH ::




Custom Search