Geography Reference
In-Depth Information
neue Gräben zwischen Stadt und Land auf“ (Deutscher
Bauernverband & Deutscher Landkreistag 2006).
Dabei gibt es Hinweise, dass die Gesamtheit der
Metropolregionen nicht schneller als andere Räume
wächst (Rusche & Oberst 2010). Die Schlussfolgerung,
„dass die Europäischen Metropolregionen in Deutsch-
land ihrer Rolle als wirtschaftliche Wachstumspole […]
nicht gerecht werden“, ist aber ebenso falsch wie die
Hypothese, dass die Wachstumsdynamik in nicht me-
tropolitanen Räumen durch die relativ große Entfer-
nung zu den Agglomerationsräumen gefördert wird
(ebd.). Die einseitige Betrachtung von Wachstumsraten
verstellt den Blick auf die höheren Produktivitäten in
städtischen und metropolitanen Räumen, die zumin-
dest ein Ergebnis eines historischen Wachstumsprozes-
ses sind, gleichzeitig wird jede pauschale Kategorisie-
rung und Betrachtung von Durchschnittswerten über
Raumtypen hinweg den individuellen Potenzialen und
Problemen der Regionen nicht gerecht.
Metropolregionen sind also wichtige Knotenpunkte
in globalen Netzen, wo sich hochwertige Funktionen
ballen. Basierend auf der BBSR-Abgrenzung vereinigen
sie auf 10 Prozent der Fläche Europas 50 Prozent der
Bevölkerung, 65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
und 80 Prozent der metropolitanen Funktionen. Ihre
kritischen Massen können trotzdem kein Allheilmittel
für räumliche Entwicklung eines gesamten Staates sein -
schon gar nicht durch das Verteilen eines „Labels“ oder
eine zu großzügige räumliche Abgrenzung. Trotzdem
sind sie gerade in Zeiten einer Überschuldung der
öffentlichen Haushalte aufgrund ihrer Wirtschaftkraft
wichtige Finanzierer der weiterhin notwendigen Aus-
gleichspolitik. Deshalb muss darauf geachtet werden,
dass ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zumindest
erhalten bleibt. Dazu müssen alle - städtischen, subur-
banen und ländlichen - Teilräume in Metropolregionen
beitragen und auch davon profitieren können. Metro-
polfunktionen können in einer so verstandenen Regio-
nalpolitik räumliche Ankerpunkte sein. Die Möglichkei-
ten der Vernetzung gehen aber weit darüber hinaus.
Eine solche Bedeutung legt eine formale Organisa-
tionsstruktur nahe. Da aber die Metropolregionen in der
Regel keine demokratische Legitimation besitzen und
auch Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilge-
sellschaft neben der Politik und Verwaltung Einfluss auf
die Raumentwicklung nehmen, ist die Frage der regio-
nalen governance und des Verhältnisses der gewählten
und nicht gewählten Akteure von besonderer Bedeu-
tung. Damit geht die Erwartung der Akteure und auch
der Bevölkerung einher, dass die Metropolregionsstrate-
gie einen Mehrwert nach innen und außen erbringt.
Dies kann durch eine gemeinsame weltweite Vermark-
tung und Messeauftritte geschehen, die wiederum auf
einer starken internen Clusterbildung und Netzwerk-
arbeit basieren. Es kann eine geeignete Ausgestaltung
des regionalen Verkehrsverbundes sein, der die Erreich-
barkeit zwischen den Teilen einer Metropolregion för-
dert. Ebenso kann dies durch gemeinsame Leitbilder
und Strategien geschehen, bei der alle Teilräume ihre
Zielvorstellungen und Potenziale einbringen. Diese
Ideen werden unter dem Begriff der Stadt-Land-Part-
nerschaften aktuell diskutiert (BBSR/DV 2012).
Europäische Städte
und Globalisierung
Sebastian Lentz
Die eben beschriebene Ausweisung von Metropolregio-
nen kann man als eine ganz spezifische Antwort von
Gebietskörperschaften auf Herausforderungen interpre-
tieren, die häufig mit dem Schlagwort „Globalisierung“
erfasst werden sollen. Dieser Prozess ist vieldimensional
und vieldirektional, das heißt Globalisierung wird in
diesem Fall nicht nur als etwas den Städten von außen
„Übergestülptes“, auf das sie reagieren müssen, gesehen,
sondern Städte sind Akteure, die auch Globalisierung
machen und vorantreiben. Ihre Etikettierung ist nicht
zuletzt ein Hinweis darauf, dass es sich um bewusste
Handlungen, um strategische Positionierungen handelt.
Die aktive Rolle der „Globalisierer“ nehmen Städte in
vielerlei Hinsicht ein, am deutlichsten wird sie, wenn
metropolitane Infrastrukturen dazu dienen, eine Region
mit der Weltwirtschaft zu vernetzen. Eine weitere Funk-
tion der Städte, auch durchaus zum Nutzen ihres
Umlands, wird darin gesehen, eine Plattform für die
Aktivitäten von Investoren zu bieten. Nicht zuletzt zu
diesem Zweck passen Städte ihre Innenstädte in einer
Art und Weise an, von der sie glauben, dass sie dadurch
für die globalen Eliten attraktiv werden. Ein wichtiges
Instrument sind Veranstaltungen geworden, die mög-
lichst globale Aufmerksamkeit erregen, um die eigene
Stadt gegenüber Mitbewerbern für eine kurze, aber
möglichst wirkungsvolle Zeit in den Fokus von Investo-
ren zu heben (Abb. 7.10). Typisch ist deshalb auch die
Ausstattung mit auffälliger, kommunikationsträchtiger
Architektur, aber auch das Entfernen vermeintlich un-
passender Elemente aus den Innenstädten, die als un-
passend, ästhetische Anmutungen störend empfunden
werden. Ganz gleich, ob es sich um den Abriss von
Gebäuden, die Gestaltung mit „Stadtmobiliar“ oder
die Verdrängung von als lästig oder missliebig empfun-
denen Menschen handelt: Die Transformation der
Innenstädte durch solche Reinigungsmaßnahmen führt
zu gestalterischer Homogenisierung, die analog zur
„Anverwandlung“ fiktiver Figuren in Disney-Zeichen-
trickfilmen, bei dem Elemente der Originalgeschichten
verloren gehen, auch für die Städte eine Art „Disney-
fizierung“ konstatiert, die die Pluralität und Alterität
Search WWH ::




Custom Search