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Auch die physische Geographie Südeuropas begün-
stigt Zuwanderungen: Die langen Küstenlinien, vielen
Inseln und bergigen Grenzregionen erleichtern irregu-
läre Grenzübertritte. Zwar wanderte der Großteil „ille-
galer“ Migranten „legal“ mit Touristenvisum ein und
verblieb nach der erlaubten Aufenthaltsdauer einfach im
Lande, doch spielte die geographische Nähe und
Zugänglichkeit - beispielsweise im Fall der Massenemi-
gration aus Albanien nach Griechenland und Italien
Anfang der 1990er-Jahre - ebenfalls eine Rolle (King
2000). Schließlich folgt die Zuwanderung nach Südeu-
ropa historischen, kulturellen und sprachlichen Verbin-
dungen zwischen den Herkunfts- und Zielländern:
Lateinamerikanische Migranten wandern vornehmlich
nach Spanien und Portugal, Angehörige ehemaliger afri-
kanischer Kolonien nach Portugal und Italien sowie
Rumänen nach Italien und Spanien.
weibliche Zuwanderinnen häufig in Privathaushalten als
Haushaltshilfen, Reinigungs- und Pflegekräfte beschäf-
tigt (Anthias & Lazaridis 2000). In der Kombination las-
sen die Charakteristika Herkunftsland, Geschlecht und
Beschäftigungssektor spezifische regionale Muster oder
„Typen“ entstehen, so zum Beispiel in Italien, wo die
philippinische Zuwanderung größtenteils aus Frauen
besteht, die in den Städten privat als Haushaltshilfen
oder Pflegekräfte beschäftigt sind, während die senegale-
sische Zuwanderung von Männern dominiert wird, die
häufig in Städten oder Touristenzentren als Straßen-
händler arbeiten, wohingegen Albaner und Rumänen
geographisch weit verstreut und in verschiedenen
Arbeitsmarktsektoren zu finden sind (King et al. 2010).
Eine weitere Eigenschaft, welche die Migration nach
Südeuropa deutlich von der klassischen Gastarbeitermi-
gration unterscheidet, ist der große Anteil an irregulären
Migranten. Irreguläre Migration in der Mittelmeerre-
gion wird oft mit Bildern von Flüchtlingen in Verbin-
dung gebracht, die in überfüllten Booten von nord- und
westafrikanischen Küsten in Richtung der Kanarischen
Inseln oder Lampedusa aufbrechen oder versuchen, mit
Hilfe von Schleppern über die türkisch-griechische
Grenze nach Europa zu gelangen. Diese geographisch
lokalisierbaren irregulären Migrationsbewegungen um-
fassen Menschen, die auf der Suche nach Arbeit und
besseren ökonomischen Lebensbedingungen nach Eu-
ropa streben, ebenso wie Flüchtlinge und Asylsuchende
aus Krisengebieten wie dem Irak und Afghanistan oder
den nordafrikanischen Ländern im Kontext der „arabi-
schen Revolutionen“. Die südeuropäischen Länder sind
dabei sowohl Transitregion auf dem Weg der Migranten
in andere europäische Länder als auch Wanderungsziel.
Entgegen weitläufiger Annahmen ist der Anteil irregulä-
rer Migranten, welche die Grenzen der südeuropäischen
Länder „illegal“ auf dem Land- oder Seeweg passieren,
jedoch gering. Der weitaus größere Teil reist „legal“ mit
Touristenvisa, Studentenvisa oder auch gefälschten Pa-
pieren ein und überschreitet dann die erlaubte Aufent-
haltsdauer. Die Wege in die Irregularität sind vielfältig
und implizieren nicht zwangsläufig irreguläre Grenz-
übertritte (Triandafyllidou 2010).
In der frühen Phase der neuen Migration in die süd-
europäischen Länder war die Einreise- und Visapolitik
noch sehr liberal, was die Zuwanderung begünstigte.
Erst auf Druck der Europäischen Union im Zusammen-
hang mit dem Abbau der Grenzkontrollen im Schengen-
Prozess führten beispielsweise Italien 1990 und Spanien
1991 eine Visumspflicht für Personen aus einigen der
Hauptherkunftsländer ein (Santel 1995). Die „Illega-
lität“ der Migration in die südeuropäischen Staaten
erweist sich insofern auch als Konsequenz einer „Illega-
lisierung“ durch politische Maßnahmen. Um die irregu-
läre Arbeitsmigration zu reduzieren, baute Spanien über
bilaterale Abkommen zu Beginn der 2000er-Jahre die
Spezifika des südeuropäischen
Migrationsraums
Die große Vielfalt der Herkunftsregionen ist ein zentra-
les Merkmal der Einwanderung nach Südeuropa. Auch
das unterscheidet sie von der früheren Gastarbeitermi-
gration mit ihren geographisch begrenzten und klar
definierten Entsendeländern. Sichtbar wird die Her-
kunftsvielfalt zum Beispiel, wenn man die Herkunfts-
länder der Migranten in Italien und Spanien betrachtet:
In Italien stammen große Migrantengruppen aus nord-
afrikanischen Ländern, aus dem subsaharischen Afrika,
aus Ost- und Südostasien, Lateinamerika sowie seit den
1990er-Jahren zunehmend aus mittel- und osteuropäi-
schen Ländern; Spanien zieht Zuwanderer vor allem aus
Marokko, dem subsaharischen Afrika und einer Vielzahl
lateinamerikanischer Länder an und entwickelte sich in
den letzten Jahren zu einem Hauptzielland von Migran-
ten aus Rumänien (Abb. 6.25). Wieder andere, doch
nicht weniger heterogene „Zuwanderungsprofile“ zeigen
Portugal und Griechenland (Cangiano & Strozza 2008,
Hillmann 2008, King et al. 2010). Eine Gemeinsamkeit
der südeuropäischen Länder jenseits der generellen Her-
kunftsvielfalt der Migranten ist das starke Anwachsen
der Wanderungsströme aus den Ländern Mittel- und
Osteuropas seit der Mitte der 1990er-Jahre.
Die Zuwanderungsbewegungen nach Südeuropa
weisen eine klare Genderasymmetrie auf. Auffallend ist
die männlich geprägte Zuwanderung aus muslimischen
Ländern wie Marokko, Tunesien, Ägypten, Senegal,
Pakistan oder Bangladesch, im Gegensatz zu der über-
wiegend weiblichen Zuwanderung von den Philippinen,
den Kapverden oder der Dominikanischen Republik, die
eher katholisch geprägt sind (King 2000). Die Gender-
asymmetrie geht mit einer Konzentration von Frauen in
bestimmten Arbeitsmarktsegmenten einher. So sind
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