Geography Reference
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Europas Geodimensionen -
der „Küstenkontinent“
oder das „nach Westen
ausfransende Asien“
mentkaskaden dar. Zu Terrassensequenzen umgeformte
Hänge im Weinbau, Auskiesungen in den Talzügen und
Aufhaldungen sind augenfällige Veränderungen des
Reliefs.
Tektonische Großformate
Europas innere Kräfte
Im plattentektonischen Großformat lässt sich der euro-
päische (Teil)Kontinent im Norden und Westen mit
dem mittelozeanischen Rücken von der nordamerika-
nischen Platte abgrenzen. Die Spreizungsrate beträgt
nördlich von Island 1,66 Zentimeter pro Jahr, südlich
von Island entfernen sich eurasische und nordamerika-
nische Platten sogar 1,85 Zentimeter pro Jahr. Im Sü-
den ist die Abgrenzung zur afrikanischen Platte durch
eine Transformstörung bzw. Bruchzone gegeben, die
nach Osten in eine Subduktionszone übergeht (Abb.
2.1). Diese wird von einigen aktiven Vulkanen wie dem
Ätna nachgezeichnet. Im zentraleuropäischen Bereich
werden unter der Eifel und in Südfrankreich Hotspots
- heiße Flecken - vermutet. Nach Osten öffnet sich der
Kontinent ohne eine vergleichbare Grenze.
Zur inneren geotektonischen Gliederung bietet sich
die grundlegende Differenzierung nach den Orogenesen
an, die in mehreren Zyklen - den Faltungsären - verlief.
Dabei wurden jeweils geosynklinale Senkungsräume im
Verlauf von Gebirgsbildungen - den Orogenesen -
deformiert. Diese Deformation wird in der Theorie der
Plattentektonik auf eine Kollision von ozeanischen mit
kontinentalen oder kontinentalen mit kontinentalen
Platten zurückgeführt (Tektogenese). Im Anschluss an
diese Kollision wurde das Orogen infolge des isostati-
schen Aufstiegs herausgehoben (Morphogenese), um
dabei sofort wieder der Abtragung zu unterliegen. Junge
Orogene (z. B. alpidische Faltung) befinden sich noch
im Hochgebirgsstadium, während die ältesten (z. B.
Osteuropa) in kontinentale „Plattformen“ umgestaltet
wurden.
Unabhängig von der schwierigen Interpretation der
„Physik“ geotektonischer Bewegungen der Erde im Rah-
men der plattentektonischen Theorie lassen sich rein
beschreibend vier Teilräume geotektonischer Konsoli-
dation und unterschiedlichen Alters in Europa unter-
scheiden (Abb. 2.2).
a) Ureuropa (Fennosarmatia) mit präkambrischer
Konsolidierung: Hierzu gehört der europäische Teil
Russlands bis zum Ural im Osten bzw. bis zur soge-
nannten „Tornquist-Linie“ in Polen, dem markanten
Abbruch des Baltischen Schildes nach Süden. Fen-
nosarmatia stellt den europäischen Ur-Kraton dar,
dessen Konsolidierung im Verlauf mehrerer präkam-
brischer Orogenesen erfolgte.
b) Paläoeuropa mit altpaläozoischer Konsolidierung:
Hierzu sind Teile Nordeuropas, wie die an die alte
Rüdiger Glaser und Hans Gebhardt
Morphotektonisch betrachtet ist Europa der westliche
Teil des eurasischen Großkontinents; es trennt sich nach
Osten wenig scharf ab und wird damit unterschiedlich
abgegrenzt. Gemeinhin wird im Uralgebirge eine Art
natürliche Barriere gesehen, die aber nicht mit politi-
schen, wirtschaftlichen oder soziokulturellen „Grenzen“
zur Deckung gebracht werden kann. Nach Westen
„franst“ dieser Großkontinent im „europäischen“ Teil in
einer eigenartigen Umrisszeichnung aus. Land und
Meere verzahnen sich in vielfältigen Küstenformen. In
diesem Sinn kann Europa als der „Küstenkontinent“
bezeichnet werden.
Ihre Daseinsberechtigung erfährt eine morphotekto-
nische Darstellung, weil sich aus ihr unter anderem
heute wesentliche Fragen der Erdbebengefährdung bzw.
-sicherheit sowie des aktiven Vulkanismus ebenso
erschließen lassen wie die Fragen von Rohstoffvorkom-
men und Ressourcen wie Erdöl und Erdgas oder nach
der Nutzung von Geothermie. Neue alte Themen sind
die der geeigneten Gesteinsformationen für atomare
Endlager - Tonstein, Salzdiapire oder Granit -, neuer-
dings ergänzt durch die Suche nach geeigneten Lage-
rungsmöglichkeiten zur CO 2 -Sequestrierung.
Das Relief spielt auch bei vielen anderen aktuellen
Fragen eine wichtige Rolle, etwa bei der Standortanalyse
von Windkraftanlagen und Sendemasten oder als Hemm-
nis der Verkehrsbewältigung. So sollen die Alpen künftig
durch aufwendige Basistunnel unterfahren werden.
Im Zusammenhang mit dem Klimawandel und dem
dadurch induzierten Auftauen des Permafrostes in den
Hochgebirgen ergeben sich Fragen der Stabilität von
Hängen - ebenso setzen der Meeresspiegelanstieg und
die Zunahme von Sturmfluten den Küsten zu. Die Was-
serführung im Vorland der Alpen wird sich mit dem Ver-
schwinden der Gletscher deutlich verändern. Relief und
Reliefexposition erscheinen damit als besonders risiko-
behaftet.
Und schließlich ist die Frage zu stellen, wie der
Mensch seit seinem Auftreten in die Stoff- und Sedi-
mentflüsse eingreift. Auelehme sind ein eindrucksvoller
Beleg für eine Jahrtausende anhaltende Entwaldung.
Das Verbauen der großen Flusslandschaften sei es zur
Hochwassersicherheit, Schiffbarmachung oder Energie-
gewinnung stellt eine völlige Veränderung der Sedi-
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