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Ende eines Zyklus und Beginn eines
neuen nach 1950
war durch ein Absinken der Fruchtbarkeit unter das
Reproduktionsniveau gekennzeichnet. Im dritten Zeit-
raum weisen die niedrigen Werte wiederum sehr geringe
Schwankungen auf. In den ehemals sozialistischen Län-
dern lag die Fruchtbarkeit nach einem merklichen
Rückgang in den 1950er-Jahren bei durchschnittlich
2,1 Geburten pro Frau. Erst nach dem politischen Um-
bruch fielen die Werte deutlich zurück, erholten sich
aber nach einer gewissen Zeitspanne von diesen
Minima.
Zwischen den Ländern und auch auf regionaler
Ebene bestehen weiterhin jedoch Unterschiede in der
Geburtenhäufigkeit mit auffallend hohen Werten in
Nord- und Westeuropa (Abb. 6.12). Frejka & Sobotka
Das Modell des Ersten Demographischen Übergangs
postuliert nach Durchlaufen der Transformation nied-
rige stabile Geburten- und Sterberaten bei leicht positi-
ver natürlicher Bevölkerungsentwicklung und ausgewo-
gener Altersstruktur. Bis etwa 1970 übertrafen die
Geburtenzahlen stets die Sterbefälle (Abb. 6.3). Seitdem
weiten sich die Sterbeüberschüsse in immer mehr euro-
päischen Ländern aus. Parallel dazu verstärken sich
Trends wie der zunehmende Anteil älterer Menschen,
die wachsende Bedeutung kleiner Haushalte, die stei-
gende Zahl von Personen mit Migrationshintergrund
oder der zukünftig zu erwartende Rückgang der Ein-
wohnerzahlen. In Deutschland wird diese Entwicklung
mit dem Schlagwort „demographischer Wandel“ zu-
sammengefasst. Er wird mit Bevölkerungsrückgang und
Geburtendefizit assoziiert, Überalterung trifft auf
Unterjüngung (Abb. 6.8 und 6.9), die Lebensläufe sind
durch den Bedeutungsverlust der Familie und -zuwachs
anderer Lebensformen gekennzeichnet, Internationali-
sierung und Heterogenisierung prägen die Bevöl-
kerungsstruktur. „Weniger, grauer, vereinzelter und
bunter“ beschreiben die Ausprägungen der vier Kompo-
nenten des demographischen Wandels.
Gegenwärtig geht die Bevölkerungszunahme vieler
europäischer Länder und Regionen auf Wanderungsge-
winne zurück, die jedoch in Zukunft nicht mehr ausrei-
chen werden, die sich ausweitenden Sterbeüberschüsse
mehr als auszugleichen. Denn eine Fruchtbarkeit deut-
lich unter dem Bestandserhaltungsniveau von 2,1 Ge-
burten je Frau hat eine rückläufige Besetzung von Jahr-
gängen im gebärfähigen Alter zur Folge, damit eine
abnehmende Zahl potenzieller Mütter und eine Unter-
jüngung der Altersstruktur. Diese Unterjüngung trifft
auf eine Zunahme der mindestens 60-Jährigen. Ursa-
chen sind die überproportional steigende Lebenserwar-
tung, insbesondere von Älteren, und deren relativ große
Zahl wegen der höheren Geburtenhäufigkeit bis in die
1960er-Jahre (Abb. 6.11). Die folgenden Ausführungen
beschäftigen sich vornehmlich mit den Ursachen für
den Fruchtbarkeits- und Sterblichkeitsrückgang, die
wesentlich Bevölkerungsabnahme wie -alterung be-
dingen.
Die mittlere Geburtenzahl je Frau ging in Europa von
2,65 (1950) auf etwa 1,53 (2010) zurück (Abb. 6.11).
Insgesamt zeigt der Verlauf der Geburtenhäufigkeit in
den europäischen Staaten ein uneinheitliches Bild. In
den westlichen Ländern Europas erstreckten sich drei
Phasen zeitlich versetzt über unterschiedlich lange
Zeiträume: In der ersten Phase war die Entwicklung
relativ stabil mit einer leichten Zunahme der Zahl der
Geburten je Frau. Der zweite, relativ kurze Abschnitt
Zahl der Geburten je Frau
4
3
2
1
0
Deutschland
Frankreich
Italien
Schweden
Spanien
Irland
a
Zahl der Geburten je Frau
4
3
2
1
0
Ungarn
Polen
Estland
Russische Föderation
Rumänien
Tschechien
b
Abb. 6.11 Entwicklung der Geburtenhäufigkeit in ausgewähl-
ten Staaten Europas (1950/55-2005/10; verändert nach: UN
2009).
 
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