Geography Reference
In-Depth Information
1550
1700
1800
Land
Jahr 1
Zeitraum 2
Jahr 1
Zeitraum 2
Jahr 1
Zeitraum 2
England
1760
210
1810
110
1850
50
Holland
1825
275
1870
170
1886
86
Frankreich
1900
350
1920
220
1985
185
Italien
1840
240
1870
170
1886
86
Abb. 6.4 Verdoppelung und Zeit-
spanne bis zur Verdoppelung ausge-
wählter europäischer Bevölkerungen
(1550, 1700, 1800; verändert nach:
Livi-Bacci 1999).
Spanien
1800
250
1850
150
1922
122
Europa
1800
250
1835
135
1890
90
1 Endjahr des Zeitraumes der Verdoppelung
2 benötigte Jahre zur Verdoppelung
kunftsland über Chancen und Risiken im Ausland […]“
(Smyth 2007).
Um 1800 verweist das erhöhte Bevölkerungswachs-
tum auf einen Umbruch des präindustriellen demo-
graphischen Systems (Abb. 6.4). Ausgehend von der
Einwohnerzahl im Jahre 1550 erstreckte sich die Zeit-
spanne, in der sich die Einwohnerzahl verdoppelte,
über 250 Jahre, bezogen auf 1700 über 135 Jahre und
bezogen auf den Stand von 1800 nur über 90 Jahre. Die
Abhängigkeit der Bevölkerungsentwicklung von der
verfügbaren landwirtschaftlichen Nutzfläche und ihrer
Tragfähigkeit hatte sich offensichtlich abgeschwächt.
So war Ende des 19. Jahrhunderts zum Beispiel die
Bevölkerung in Russland noch nicht vom Wandel er-
fasst, während die Transformation in England und
Wales bereits weit fortgeschritten war (Abb. 6.3). Schon
Landry setzte in den 1930er-Jahren am Beispiel Frank-
reichs Stadien mit spezifischen Größenrelationen von
Geburtenhäufigkeit und Sterblichkeit mit gesellschaft-
lichen Bedingungen in Beziehung und charakterisierte
ihren Wandel mit den drei Entwicklungsabschnitten
régime primitif, régime démographic intermediaire und
régime contemporaine (Girard 1982). Mit dem demogra-
phischen Übergang schwindet die Wirksamkeit äußerer
Faktoren auf das generative Verhalten, die Verfügbarkeit
von Ressourcen vergrößert sich. „Neue Technologien
und Produktionsverhältnisse, die unter dem Begriff der
industriellen Revolution zusammengefasst werden, füh-
ren zu einer raschen Änderung der Lebensweise“ (Livi-
Bacci 1999). Damit waren der Wandel von der Agrar-
zur Industriegesellschaft, die Modernisierung, Urbani-
sierung und fortschreitende Säkularisierung, die Steige-
rung der wirtschaftlichen Leistungskraft nationaler
Ökonomien und die Hebung des Lebensstandards ver-
knüpft.
Die demographische Transformation begann mit
einem Mortalitätsrückgang, während die Geburtenziffer
zunächst hoch blieb, vorübergehend sogar leicht anstei-
gen konnte. Die Lebenserwartung Neugeborener er-
höhte sich im Zeitraum von 1850/69 bis 1930/45 zu-
nächst allmählich, dann deutlich schneller von knapp
40 auf etwa 61 Jahre. In der Frühphase traten Subsis-
tenzkrisen mit kurzfristigen Ausschlägen der Sterbezif-
fer immer seltener auf. Modernisierung und Intensivie-
rung der Landwirtschaft sowie der expandierende
Welthandel sicherten vermehrt die Nahrungsmittelver-
sorgung. Mit dem Aufkommen neuer Verkehrsmittel
mit größeren Frachtkapazitäten sowie mit dem Ausbau
der Verkehrsinfrastruktur im Zuge der Industrialisie-
rung konnten regionale Engpässe bei den Nahrungsmit-
teln rasch ausgeglichen werden. Die Verbesserung der
Ernährungssituation auch aufgrund des höher werden-
den Lebensstandards stärkte die Widerstandsfähigkeit
der Menschen gegenüber Infektionskrankheiten. Von
Demographische Systeme im Wandel
(1800-1950)
Das Bevölkerungswachstum in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts hielt - abgesehen von Irland (Exkurs
6.3) - nach 1800 an. Eine Vorreiterrolle hatten England
und Wales inne, wo schon nach 1750 ein merklicher
Anstieg der jährlichen Rate auf 0,7 Prozent und nach
1800 sogar Werte von über 1,3 Prozent vorlagen. Die
relative Zunahme flachte in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts ab und nach 1900 lag die Rate unter
0,6 Prozent. Dieser Chronologie des Wachstums folgte -
abgesehen von Frankreich - die Bevölkerungsentwick-
lung aller europäischen Länder.
Der Verlauf von geringen zu hohen und wieder zu
geringen Wachstumsraten ging auf einen mehr oder
minder regelhaften Wandel von relativ hohen Geburten-
und Sterbeziffern zu vergleichsweise niedrigen Werten
mit überdurchschnittlichem Wachstum in der Phase des
Übergangs zurück (Abb. 6.3). Diese Differenzierung
wurde auf der Basis empirischer Studien in bis zu fünf
Phasen unterteilt. Der Begriff demographic transition
wurde jedoch erst Mitte der 1940er-Jahre, etwa gleich-
zeitig von Davies und Notestein, eingeführt (Szreter
1993). Der demographische Übergang setzte in den Län-
dern Europas und in ihren Regionen zu verschiedenen
Zeitpunkten ein und erstreckte sich über kürzere Zeit-
räume, je später die Phase erhöhten Wachstums begann.
 
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