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Alicante sind ein Spiegelbild der sich seit dieser Zeit her-
ausbildenden Wohlstandsgesellschaft.
Dienstleistungen werden grob in haushaltsorientierte
und unternehmensorientierte Dienstleistungen unter-
schieden. Beide Bereiche lassen sich weiter in wissensin-
tensive und operative Dienstleistungen differenzieren.
Zu den in Europa schnell wachsenden operativen, haus-
haltsorientierten Dienstleistungen zählt zweifelsohne
der Linienpassagierverkehr - zu Lande, insbesondere
aber auch zu Luft. Durch den fortschreitenden Ausbau
der Straßen- und Schienenverkehrsnetze und dem Auf-
kommen neuer low-cost carrier im Luftverkehr sind
europäische Regionen - allen voran die Metropolen -
hochgradig miteinander vernetzt. Das Passagieraufkom-
men in Regionen mit internationalen Großflughäfen
(mit mehr als 50 Millionen Passagieren im Jahr 2008)
wie etwa Paris-Charles-de-Gaulle, London Heathrow,
Frankfurt Main oder Madrid Barajas ist zwischen 2003
und 2007 jährlich um durchschnittlich mehr als 5 Pro-
zent angestiegen. Die Passagierzahlen in Flughäfen wie
München oder Barcelona, die zu sekundären Drehkreu-
zen nationaler Fluggesellschaften ausgebaut wurden, sind
im selben Zeitraum sogar zweistellig angestiegen. Ein
Großteil des Luftverkehrs geht auf touristische Aktivitä-
ten zurück, wie jeweils mehr als 30 Millionen Passagier-
bewegungen auf den Balearen und auf den Kanarischen
Inseln im Jahr 2008 eindrucksvoll belegen.
Auch eine steigende Nachfrage nach wissensintensi-
ven Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwe-
sens, die sowohl auf eine überalternde europäische
Gesellschaft als auch auf eine Wohlstandsgesellschaft in
weiten Teilen Europas zurückgeht, ist für eine wach-
sende Dienstleistungsbeschäftigung verantwortlich. Eine
Durchschnittszahl von knapp 900 Pflegekräften und
Hebammen pro 100 000 Einwohner in den Regionen der
EU-27-Mitgliedsstaaten ist dabei jedoch insofern mit
Vorsicht zu interpretieren, als sie deutliche regionale
Unterschiede verdeckt. Während etwa in den städti-
schen Regionen der Niederlande eine Dichte an Pflege-
kräften von mehr als 1600 erreicht wird, stehen in den
ländlichen Regionen Portugals nur knapp 300 ausgebil-
dete Fachkräfte pro 100 000 Einwohner in diesem Be-
reich zur Verfügung (Eurostat 2010). Die Versorgung der
Bevölkerung über den Einzelhandel mit Gütern des täg-
lichen sowie des gehobenen Bedarfs wurde in Europa
weiter ausgebaut. Bedingt durch einen zunehmenden
internationalen Wettbewerb des Groß- und Einzelhan-
dels, der sich in Direktinvestitionsstrategien äußert,
sowie durch die Vorteile bei der Ausnutzung von Ska-
leneffekten, aber auch durch eine fortschrittlich ausge-
baute Verkehrs- und Logistikinfrastruktur sind heute
Konsumgüter aus anderen europäischen Ländern selbst
in den ländlichen, kleinstädtisch geprägten Regionen
der europäischen Peripherie zugänglich (Exkurs 5.12).
Zusammenfassend haben aber insbesondere in Stadtre-
gionen haushaltsorientierte Transport- und Gesund-
heitsdienstleistungen sowie Dienstleistungsangebote des
Einzelhandels überdurchschnittlich stark zugenommen
(Paal 2005). Daher ist es nicht verwunderlich, dass wirt-
schaftlich diversifizierte Stadtregionen heute eher als
Dienstleistungs- denn als Industrieregionen wahrge-
nommen und charakterisiert werden.
Aus zweierlei Gründen ist es jedoch überzogen, aus
den steigenden Anteilen der Dienstleistungswirtschaft in
Europa einen Übergang von der Industrie- zur Dienst-
leistungsgesellschaft abzuleiten. Zum einen sind Indus-
trie und Dienstleistungen eng miteinander verzahnt.
Der Bedeutungsgewinn des tertiären Sektors geht auf
unternehmensorientierte Dienstleistungen zurück. Frü-
her waren unternehmensbezogene Dienstleistungen in
Industrieunternehmen integriert und damit statistisch
unsichtbar. Heute verringern Unternehmen durch Out-
sourcing von Dienstleistungstätigkeiten wie Personal-
verwaltung, Kantinenmanagement oder Rechnungswe-
sen ihre Leistungstiefe. Sie beziehen diese Leistungen
von externen Zulieferern, um sich stärker auf ihre Kern-
kompetenzen zu konzentrieren. Da nicht alle Dienstleis-
tungen direkt vor Ort beim Kunden erbracht werden
müssen, bietet sich auch bei dienstleistungsbezogenen
Geschäftsprozessen eine Erstellung an lohnkostengüns-
tigen Auslandsstandorten an. Insbesondere standardi-
sierte IT-Dienstleistungen lassen sich über elektronische
Schnittstellen aus geographischer Ferne in Wertschöp-
fungsprozesse integrieren. Irland zum Beispiel hat die
Ansiedelung von Call-Center-Funktionen ausländischer
Firmen jahrelang durch Steueranreize subventioniert.
Im Zuge sogenannter Offshoring-Strategien beziehen
europäische Unternehmen zentrale Dienstleistungen
aber auch zunehmend über eigene Tochtergesellschaften
an Auslandsstandorten. Der Vorteil: Über eine Tochter-
gesellschaft lassen sich nicht nur standardisierte, son-
dern auch wissensintensive Dienstleistungen an Aus-
landsstandorten erarbeiten und das Risiko ungewollter
Wissensabflüsse kontrollieren. Sowohl Outsourcing als
auch Offshoring von Dienstleistungen führen zur Grün-
dung neuer Dienstleistungsunternehmen und erhöhen
die statistische Zahl der Beschäftigten im tertiären Sek-
tor. Mittel-osteuropäische Regionen und insbesondere
die Metropolregion Budapest zählen zu den Gewinnern
dieser Entwicklung. Zu den Standortvorteilen Ungarns
zählen staatliche Subventionen, günstige Lohnkosten
und gut ausgebildete Fachkräfte. Allerdings erodieren
die beiden letztgenannten Vorteile schrittweise. Eine
steigende Knappheit auf dem lokalen Arbeitsmarkt
führt zu einem Anstieg der Lohnkosten (Glückler 2008).
Zum anderen ist auch ein gegengerichtete Entwick-
lung zu beobachten: Unternehmen des produzierenden
Gewerbes gehen vermehrt dazu über, produktbeglei-
tende Dienstleistungen wie beispielsweise kundenspezi-
fische Softwareentwicklung, Dokumentation, Montage
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