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Exkurs 5.9
Goldbergbau in Rumänien
Christoph Waack
Das rumänische Westgebirge zählt nach verschiedenen
sozioökonomischen Kriterien zu den marginalisierten Re-
gionen Rumäniens. Die nächsten städtischen Zentren lie-
gen zwei bis drei Stunden entfernt, die Arbeitslosigkeit ist
hoch, das Durchschnittseinkommen sehr gering; die Teil-
habe am ökonomischen Fortschritt fällt geringer aus, als es
der nationale Durchschnitt zulassen würde. Rohstoffexper-
ten ist das rumänische Westgebirge wegen seiner Goldvor-
kommen seit Langem bekannt. Als Folge tertiären Vulka-
nismus bildeten sich ergiebige Goldlagerstätten, die bereits
die römischen Eroberer unter Kaiser Trajan ausbeuteten.
Fast 2000 Jahre später haben es global agierende Inves-
toren mit Sitz in Kanada auf „das Gold der Karpaten“ abge-
sehen. Junior miners , kleine börsennotierte Bergbauunter-
nehmen, erschließen mit Hilfe spekulativen Risikokapitals
und Einbindung regionaler Akteure weltweit neue Goldla-
gerstätten. Der globale Goldmarkt ist seit Anfang des
21. Jahrhunderts durch steigende Nachfrage geprägt.
7,8 Millionen Feinunzen (ca. 242 t) Gold sollen allein unter
dem historischen Bergbaustädtchen Ro ș ia Montan ă liegen.
Bei einem Handelspreis von etwa 1065 Euro je Feinunze im
Mai 2011 entsprach dieses Vorkommen einem Marktwert
von ungefähr 8,3 Milliarden Euro.
über Struktur“ ( agency over structure ). Die darauffolgenden
Strukturen ließen eine Ordnung entstehen, die Hann (2002)
„Post-Postsozialismus“ genannt hat. Der Beitrittsprozess
Rumäniens zur EU ab dem Jahr 2000 führte zur weiteren
Konsolidierung staatlicher Strukturen unter EU-Vorzeichen.
In diesen Strukturwandel hinein erfolgte der Versuch des
Investors, das Goldbergbauprojekt zu beginnen. Dazu war
eine Explorationslizenz notwendig, die noch Ende der
1990er-Jahre einem joint venture zwischen dem Investor
und einem staatlichen Bergbauunternehmen am Standort
Ro ș ia Montan ă erteilt wurde. Eine Machbarkeitsstudie von
2001 sah die Verlagerung der Ortschaft vor, um einen wirt-
schaftlichen Tagebaubetrieb zu ermöglichen. Noch bevor
von staatlicher Seite eine Abbaugenehmigung erteilt wer-
den konnte, begann das private Bergbauunternehmen 2003
mit der Absiedlung des Ortes durch den Aufkauf von Grund-
stücken. Dieses Vorgehen führte zu einer Spaltung der loka-
len Bevölkerung in Gegner und Befürworter des Vorhabens.
Es entstanden lokale NGOs.
Reichweiten von Raumbildern
Die Befürworter des Projektes beriefen sich auf das regio-
nale Selbstbild einer Bergbauregion und verwiesen auf feh-
lende alternative Entwicklungsmöglichkeiten der Region.
Dieses Selbstbild erreichte jedoch keine große räumliche
Reichweite. Die Gegner des Projektes beriefen sich dage-
gen auf die Tradition des Widerstands, den die Bewohner
dieser Region bislang gegen alle von außen kommenden
Zugriffe gezeigt haben sollen. Dabei erwies sich die Instru-
mentalisierung eines sozialen Freiheitskampfes in dieser
Region gegen Ende des 18. Jahrhunderts als sehr erfolg-
reich. Das rumänische Westgebirge wurde deswegen auf
der nationalen Ebene über den Kontext des regionalen
Politische Umbruchphasen als Zeiträume
institutioneller Instabilität
In ungefestigten institutionellen Kontexten ergeben sich
Vorteile für private Akteure mit ausreichendem finanziellem
und sozialem Kapital. Die Transformationsphase Rumä-
niens vom Sturz Nicolae Ceau ș escus 1989 bis zum Beitritt
zur EU 2007 kann in mehrere Phasen institutioneller Stabi-
lität unterteilt werden. Die Anthropologin Verdery (1996)
kennzeichnete eine erste Phase mit dem Begriff „Handeln
spruchsvolle Nachfrage der Bevölkerung zu decken. Der
hohe Wettbewerb auf diesen Märkten regt zu einer fort-
laufenden Differenzierung und Nischenbildung an. Dies
betrifft Märkte für Konsumgüter ebenso wie Märkte für
Investitionsgüter und unternehmensorientierte Dienst-
leistungen. Außerdem unterliegen räumliche Konzen-
trationen von wirtschaftlichen Aktivitäten einem sich
selbst verstärkenden Mechanismus der Herausbildung
von Externalitäten, sogenannten Agglomerationsvor-
teile. Positive Externalitäten in einem Verdichtungsraum
zeichnen sich zum Beispiel dadurch aus, dass sich mit
jeder weiteren Firmenansiedlung sowohl die Standort-
vorteile des sich ansiedelnden Unternehmens als auch
die aller anderen Unternehmen verbessern. Erst eine
gewisse Masse an Firmen eines Wirtschaftszweiges
macht bestimmte Infrastruktureinrichtungen rentabel
oder rechtfertigt ihre öffentliche Bereitstellung. Dies
betrifft Fachschulen für bestimmte Berufszweige, Prüf-
institute zur Qualitätszertifizierung von Waren oder
spezifische Transportinfrastrukturen, die die Erstellung
und Distribution von Gütern erleichtern. Die Konzen-
tration diversifizierter Branchen an einem Standort geht
zudem mit einer Versicherungsfunktion gegen das
Risiko der unternehmerischen Unsicherheit einher
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