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Die erste Transformation der
europäischen Landwirtschaft:
von der naturbezogenen zur
industriellen Produktion
rend des Spätmittelalters bis ins 17. Jahrhundert hin-
ein entwickelt.
Mit montado (im Portugiesischen) oder dehesa (im
Spanischen) wird eine weitere Form der agrarischen
Mischnutzung benannt. Typisch ist eine Kombina-
tion von Kork- und Steineichen sowie Weide für
Schafe oder Schweine. Das gibt diesen Landschaften
einen savannenartigen Charakter, wie er in Teilen der
Iberischen Halbinsel noch heute weit verbreitet ist.
Solche Landschaften können sehr alte Wurzeln ha-
ben. Vor allem der Anstieg des Weinhandels im
18. Jahrhundert führte zu einem vermehrten Anbau
von Korkeichen, sodass man davon ausgehen kann,
dass die meisten dehesas ihren Ursprung in diesen
Zeiten haben.
Birte Nienaber
Die Landwirtschaft gehört zu den ältesten Wirtschafts-
zweigen der Menschheit. Immer wieder gab es teilweise
umwälzende Veränderungen. Nach Kreutzmann (2006)
lässt sich die Entwicklung der Landwirtschaft in drei
Agrarrevolutionen einteilen, wobei auf die letzten bei-
den im Weiteren näher eingegangen werden soll:
Übergang von der Jagd- und Sammelwirtschaft zum
sesshaften Ackerbau (vor 9000 bis 10 000 Jahren)
Übergang von der Selbst- zur Marktversorgung (ab
dem 17. Jahrhundert in England)
Hochgebirgslandschaften
und Hochländer
industrialisierte Landwirtschaft: zunehmende Kapi-
talintensität, Spezialisierung der Betriebe, konse-
quente Nutzung der Agrartechnologie, Freisetzen
von Arbeitskräften, Einsatz von Maschinen, Ausbil-
dung agroindustrieller Unternehmen (20. Jahrhun-
dert in Europa)
Innerhalb von Agrargesellschaften haben Gebirge und
Hochländer für gewöhnlich einen peripheren Status.
Nichtsdestoweniger sind sie dank spezialisierter Nut-
zungsweisen Teil der Gesamtwirtschaft gewesen. Dazu
gehören namentlich Formen der Viehhaltung. So haben
die britischen Mittelgebirge eine lange Tradition als
Schafweiden, was offene, von Mooren durchsetzte Land-
schaften hervorbrachte. In den höheren Lagen Europas
dominiert dagegen bis heute der Wald, der in der Alp-
wirtschaft von den auf den offenen alpinen Matten gra-
senden Tieren aufgelichtet wurde, was zu einem Absen-
ken der Waldgrenze führte. Die Produktion von Käse
bildete dabei die ökonomische Basis. Viele dieser Land-
schaften haben eine komplexe Geschichte, zu der auch
mehr Dauersiedlungen als heute gehörten. Die schotti-
schen Highlands wurden zum Beispiel über Jahrhun-
derte von gemischten Bauernwirtschaften genutzt, be-
vor Wüstungsprozesse die meisten Höfe verschwinden
ließen.
Es ist wichtig, abschließend festzuhalten, dass all
diese Agrarlandschaften in vorindustrieller Zeit ökono-
misch eng miteinander verbunden waren und jede eine
bestimmte Rolle in der europäischen Wirtschaft der
Vormoderne spielte (Nitz 1993). In den saisonalen Wan-
derungen von Schafherden von den Winterweiden in
den Tiefländern auf die Sommerweiden im Gebirge
wird das besonders augenfällig. Solche Transhumanz-
systeme existierten nahezu überall in Europa. Das Wis-
sen, nicht nur von diesen traditionellen agrarsozialen
Systemen und den sich daraus entwickelten Landschaf-
ten, ist inzwischen sehr verschüttet, und die Spuren in
der Landschaft drohen komplett zu verwischen, wenn
sie nicht erforscht und inventarisiert werden (Konold
2004).
Die Agrarrevolution im Europa
des 18. und 19. Jahrhunderts
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts waren in den am
höchsten entwickelten Gesellschaften Europas noch 75
bis 80 Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft
tätig. Es wurden nur ungefähr 20 bis 30 Prozent mehr
Lebensmittel produziert als die landwirtschaftlichen
Familien selbst konsumierten (Bairoch 1976). Mit der
Industrialisierung der Landwirtschaft, die in England
Anfang des 18. Jahrhunderts begann und als „Agrar-
revolution“ bezeichnet wird, stieg die Produktion der
Nahrungsmittel stark an. Es wurden erstmals große
Überschüsse produziert. Einige Historiker bezeichnen
England daher auch für die Zeit zwischen 1700 und
1750 als die „Kornkammer Europas“. „Die ungefähren
Daten für den Beginn der Agrarrevolution in verschie-
denen Ländern sind: England 1690 - 1700; Frankreich
1750 - 60; […]; Schweiz 1780 - 90; Deutschland und
Dänemark 1790 - 1800; Österreich, Italien und Schwe-
den 1820 - 30; Russland und Spanien 1860 - 70. In Bezug
auf Belgien und die Niederlande wäre es ganz willkür-
lich, eine Jahreszahl zu nennen, da von hier […] die
meisten Ideen, die dem ersten Stadium der Agrarrevolu-
tion zugrunde lagen, von Flandern und Brabant, also
den historischen ,Niederlanden', ausgingen“ (Bairoch
1976).
Die Industrialisierung in der Landwirtschaft ist
durch verschiedene Faktoren gekennzeichnet. Dazu ge-
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