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hören kontinuierliche Fruchtfolgen ohne Brachland-
phasen, neue Fruchtfolgen (z. B. Norfolker Fruchtfolge),
die Abschaffung der Leibeigenschaft in den Regionen
Europas, wo sie noch existierte, neuer oder vermehrter
Anbau von Feldfruchtarten (z. B. Rüben, Klee, Raps,
Kohl, Kartoffel), Neugewinnung und Verbesserung von
Ackerland (z. B. Melioration), Rationalisierung und vor
allem die Technisierung der Agrarwirtschaft. Mit der
Erfindung des Kunstdüngers durch Justus von Liebig
Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte ein weiterer wichti-
ger Schritt zur Erhöhung der Erträge und damit zur
Industrialisierung der Landwirtschaft in Europa. Durch
diese starke Mechanisierung, Technisierung und Ratio-
nalisierung der Landwirtschaft wurden im 19. und 20.
Jahrhundert zunehmend mehr Arbeitskräfte aus der
Landwirtschaft arbeitslos, weil nun weniger Landarbei-
ter gebraucht wurden. In dieser Freisetzung der Arbeits-
kräfte und der Erhöhung der landwirtschaftlichen Pro-
duktion wird eine wesentliche Grundlage für die von
Großbritannien ausgehende industrielle Revolution ge-
sehen.
Erwerbsanteil in der Landwirtschaft sank, gewährleis-
ten.
Begonnen hat die Industrialisierung der Sowjetunion
mit Stalins „Einholen und Überholen in kürzester
Zeit“. Dabei sollte die Landwirtschaft durch eine mecha-
nisierte Produktion die Grundlage für die Nahrungssi-
cherung der Industriearbeiter schaffen. Dafür brauchte
man große Flächen. Zwischen 1928 und 1934 wurden
bis auf die ganz kleinen alle landwirtschaftlichen
Betriebe ideologisch begründet kollektiviert. Mehrere
Millionen Bauern fielen den sogenannten „Stalinschen
Säuberungen“ zum Opfer.
Durch die Kollektivierung entstanden drei Typen von
Betriebsformen, die auch in anderen sozialistischen
Staaten später übernommen wurden: Sowchosen (Staats-
güter), Kolchosen (Genossenschaften) und Nebener-
werbswirtschaften. In den 1970er- und 1980er-Jahren
wurden diese Betriebe zu neuen Kooperationsbetrieben
und zu Agrar-Industrie-Komplexen zusammengeschlos-
sen, um die Produktivität zu steigern.
In den anderen sozialistischen Staaten wurde zu-
nächst nach dem Zweiten Weltkrieg der Großgrundbe-
sitz in kleinteilige Eigentumsverhältnisse an Landlose
überführt. Danach erfolgte die Phase der Kollektivie-
rung.
In der DDR wurde nach sowjetischem Vorbild
1952 die „freiwillige Vorbereitung des Sozialismus auf
dem Lande“ beschlossen. Unterschieden wurde zwi-
schen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaf-
ten (LPGs) und Volkseigenen Gütern (VEGs). Die
LPGs waren unterteilt nach dem Kollektivierungsgrad:
Die Industrialisierung in den sozialisti-
schen Staaten des 20. Jahrhunderts
Einen weiteren Schritt von der naturbezogenen zur
industriellen Landwirtschaft stellt die Veränderung der
Betriebsstrukturen aufgrund der politischen und gesell-
schaftlichen Systeme in Europa, vor allem nach dem
Zweiten Weltkrieg, dar. Der Staat wollte die Ernährung
einer immer stärker wachsenden Gesellschaft, deren
LPG Typ I - nur das Ackerland wird kollektiviert
Exkurs 5.1
Die Kartoffel als „Wunder- und Hungerpflanze“ in Irland
Die im 16. und 17. Jahrhundert nach Europa eingeführte
Kartoffel erlangte ab dem späten 17. Jahrhundert eine wich-
tige Ernährungsfunktion in Europa, da sie eine wachsende
Bevölkerung zu ernähren vermochte. In Irland stellte sie ab
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Hauptnahrung
der ärmeren Bevölkerungsschichten - vor allem der Arbei-
ter und Kleinstbauern - dar. Dies führte zu einer vermehr-
ten monokulturellen Abhängigkeit, einer Reduktion der Sor-
ten hin zur Kartoffelsorte „Lumper“ und zu einer auf die
Kartoffel ausgerichteten einseitigen Diät der ärmsten Be-
völkerungen in den Folgejahren. Diese zunächst als land-
wirtschaftlicher Fortschritt gesehene Fokussierung auf die
Kartoffel endete in den Jahren 1845 bis 1849 in der soge-
nannten „Großen Hungersnot“. Hierzu führten neben dem
Kartoffelanbau verschiedene Faktoren: Flächenintensivie-
rung, Verpachtung an Mittel- und Kleinbauern, frühes Hei-
ratsalter mit hoher Geburtenrate und häufige Missernten ab
1800 durch sinkende Qualität des Saatgutes, sodass die
Kartoffelernte die Ernährung nicht mehr ganzjährig sicher-
stellen konnte. Als dann 1845 die Kartoffelfäule (eine pilz-
ähnliche Krankheit) hinzu kam und mehre Missernten auf-
einanderfolgten, breiteten sich in Irland Hungerepidemien,
Typhus, Cholera und andere Epidemien aus. Schätzungs-
weise starben über 1 Million Menschen. Die zunächst als
agrarische Innovation gefeierte Kartoffel und eine darauf
ausgerichtete Monokultur zeigten die negativen Seiten
gewisser Neuerungen.
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