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Ganz anders wiederum die flachen Ke-
lims, z. B. die dichteren, ebenfalls ge-
knüpften Sumak-Kelims und die ge-
webten Barak-Kelims. Sie dienten als
Gebrauchsstücke und sind in ihrer
Musterung nicht so festgelegt.
Teppich-Ökonomie
Die Herstellung echter Teppiche
oder Kelims ist reine Handarbeit
und wird von Frauen übernom-
men. Vor allem landlosen Familien
dient sie als wichtige Einkom-
mensquelle. Alle weiblichen Mit-
glieder der Sippe arbeiten im Win-
ter in Wechselschichten an den
früher ausschließlich zum privaten
Gebrauch produzierten Stücken.
Im Frühjahr werden sie heute von
den Händlern der großen Teppich-
magnaten des Istanbuler Basars
aufgekauft, die inzwischen auch
Sommer-Dependancen an der
Südküste führen. Ihr Preisdiktat ist
knallhart - für ein Stück, das spä-
ter 1500 € bringen soll, zahlt man
tief im Osten vielleicht 250 Lira,
also 100 € - man kann sich kaum
vorstellen, wie viel Spielraum es
beim Handeln geben könnte.
Alte Stammes-
traditionen
Je nach lokaler Herkunft, Stammes-
tradition und Zweck fallen die Muster
sehr unterschiedlich aus. Zumeist sind
es aber symbolisch abstrahierte Mo-
tive, deren Bedeutung in uralte Zeiten
verweist wie Doppelaxt, Baum, Sterne,
stilisierte Zelte, Fischreusen, Tiere und
das eli belinde : Das bedeutet übersetzt
›Hände auf den Hüften‹ und stellt eine
Frau dar. Die Produktion für die Tou-
risten hat jedoch zu einem gewissen
Verfall der alten, meist innerhalb der
Familien überlieferten Muster geführt.
Heute findet man sogar schon Teppi-
che im Pop-Art-Stil.
Als Qualitätsmerkmale aller Teppi-
che gelten die Verwendung der har-
monischeren Pflanzenfarben (statt
Anilinfarben), die Verwendung von
Spanngarnen aus Wolle (statt aus
Baumwolle), was die Haltbarkeit er-
höht, und natürlich das Alter der Stü-
cke. Doch Vorsicht mit windigen Händ-
lern, warnt Atilla: Teppiche, die älter
als 100 Jahre sind, dürfen nicht ins Aus-
land verkauft werden. Er selbst, versi-
chert er treuherzig, stehe mit seinem
Wort für die Qualität der Stücke ein.
Seine Ware besorge er in der Osttürkei,
aber auch in den Teppichdörfern des
Westens, etwa aus dem Döşemealtı-
Kreis nordöstlich von Antalya. Sicher-
lich ist es vielfach Auftragsarbeit, und
so mancher Teppich wird inzwischen
nach dem Geschmack der Touristen
produziert, doch er, Atilla Eçe, biete
hilfen ins Halbdunkel des Lagerraums
- bald wird Teppich auf Teppich ausge-
rollt. Der Arglose mag sich immer noch
bei einer spannenden Lektion über das
türkische Knüpfhandwerk wähnen:
Der Teppich, so erklärt Atilla, wird
geknüpft, und zwar bei guter Qualität
mit 6 x 7 Knoten/cm 2 , also 42 000 Kno-
ten/m 2 - typisch für den türkischen
Teppich ist der symmetrische Görges-
Knoten, wobei ein Wollfaden mit je ei-
ner Schlinge um zwei Spanngarne ge-
knüpft wird. Das Ergebnis ist dann eine
feste, hochflorige Ware mit deutlich
gröberen Mustern als beim feineren
persischen Sineh-Knoten.
Je nach Bestimmungszweck unter-
scheidet man den Gebetsteppich mit
einer Mihrab-Nische und den meist
größeren Bodenteppich mit geometri-
schem oder floralem Musterwerk.
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