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Fischer, Bauern, Kalkbrenner
Vor allem die Grabungen von James
Russel im Bereich der Palästra erbrach-
ten spannende Hinweise zum Leben in
den letzten 100 Jahren der sterbenden
Provinzstadt. Bereits nach dem persi-
schen Überfall hatte man den Bau der
Sportanlage aufgegeben. Die pracht-
vollen skulptierten Marmorwerkstücke
wurden zerschlagen und wie alle Säulen
zu Kalk gebrannt, um die neue Stadt-
mauer hochzuziehen. Damit wurde fast
die Hälfte der Stadt aufgegeben.
Für das 5. Jh. ist eine Neubesiedlung
der Palästra mit Holzhütten, die sich
vielfach an antike Mauern lehnten,
nachgewiesen. Das herrliche Mosaik
der Palästra war schon mit einer 25 cm
dicken Erdschicht bedeckt, nur die Gru-
ben für die Pfosten der Hütten fügten
ihm Schäden zu. In dieser Dorfstruktur
lebten meist Fischer, wie Angelhaken
belegen. Es wurde Korn angebaut und
Olivenöl gewonnen. Weitere Funde
dokumentieren Werkstätten eines
Tischlers, eines Schneiders, eines Mau-
rers, eines Sattelmachers; im Theater
hatte sich der Schmied eingerichtet. In
allen Grabungsbereichen kamen Spin-
deln und Webgewichte zutage - Spin-
nerei und Weberei waren also privat als
Arbeit aller Frauen organisiert.
ramikware hatte die Stadt schon früher
hergestellt, doch nach dem Beben ver-
lagerte man die Werkstätten vom nörd-
lichen Stadtrand ins Zentrum.
Die Thermentöpferei hatte sich of-
fenbar auf Tonlampen spezialisiert.
Man entdeckte entsprechende Model
sowie ein Lager mit 700 unbenutzten
Lampen, die wohl zum Schutz vor Plün-
derern vergraben worden waren. Ane-
mourion lieferte diese Lampen auch
nach Zypern, wo man sie in der antiken
Inselhauptstadt Salamis wiederent-
deckte. Zugleich handelte der Ther-
mentöpfer mit importierter Gebrauchs-
keramik. Viele Stücke entsprechen der
damals verbreiteten Cypriot-Red-Slip-
Ware, ein feines, aus geschlämmtem
Ton gebranntes Geschirr. Die Geschäfte
gingen recht gut, wie die von den Ar-
chäologen gefundene Kasse der Werk-
statt belegt: Sie enthielt 62 Kupfermün-
zen, alle aus den Jahren 629 bis 658.
Das Ende
Kurz vor 660 erreichten die Araber die
Region und brandschatzten von Zy-
pern her die Südküste. Die Kasse des
Töpfers wurde in planierten Trümmern
gefunden, vielleicht war die Werkstatt
bei einem Angriff zerstört worden. Aus
späteren Zeiten ist nur eine recht
plumpe Keramik aus Eigenproduktion
bekannt - offenbar waren die Import-
verbindungen per Schiff abgerissen.
Aufgrund des Dekors spricht Russel
von Piecrust-Rim-Ware (Brotkrusten-
rand-Keramik). ›Normale‹ Handelsver-
bindungen gab es danach nicht mehr.
Steht man heute auf der Palästra,
deren Mosaikpflaster zum Schutz wie-
der mit Sand abgedeckt ist, kann man
die Fantasie spielen lassen. Wie kam
das Ende? Irgendwann nach 700 zogen
die letzten Bewohner hoch ins siche-
rere Hügelland. Anemourion und sei-
nen Hafen bedeckte der Sand.
Der Töpfer-Händler
Während der byzantinischen Zeit dau-
erte die Kalkbrennerei - und damit die
Vernichtung der antiken Pracht - an.
580 zerstörte ein großes Erdbeben die
Aquädukte, sodass die Bäder nicht mehr
mit Wasser versorgt waren, zu einer Re-
paratur war die Gemeinschaft nicht
mehr in der Lage. Danach wanderten
auch die Wandverkleidungen der Gro-
ßen Thermen und die Bodenplatten
über den Hypokausten in die Kalköfen.
Die Kleinen Thermen neben dem Thea-
ter okkupierte ein Töpfereibetrieb. Ke-
 
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