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bar gar nicht genug von den Viechern kriegen konnte. Außerdem waren sie verhältnismä-
ßig preiswert. Vielleicht fallen die Leute deswegen so darüber her. Wie die Heuschrecken.
Okay, der war schlecht.
Jedenfalls waren die Grillen auf Blechtabletts aufgeschichtet, und links und rechts neben
dem Grillenhaufen lag je eine halbierte Limette als Dekoration. Und es wimmelte von Flie-
gen. Vielleicht würden die als Nachtisch herhalten, wenn jemand nach den Grillen noch
Hunger haben sollte.
Ich bin einer dieser Bauern, die nichts fressen, was sie nicht kennen. Da kann dieser Fern-
sehkoch Heston Blumenthal mit noch so vielen Sternen dekoriert sein: Sachen wie Eier-
mit-Speck-Eis esse ich nicht. Essen soll doch keine Herausforderung sein. Essen soll mei-
nen Hunger vertreiben.
Unser Producer, Jamie, lag mir in den Ohren, ich solle doch unbedingt eine Grille probie-
ren. Ich würde hier nicht eher wegkommen, bis ich eine gegessen hätte. Also gab ich klein
bei. Sie schmeckte nicht scheußlich oder so, aber eben auch nicht besonders gut. Ich hatte
schon gehört, dass Street Food hier in Mexiko sehr beliebt sein soll. Aber ich hatte niemals
vermutet, dass damit Kreaturen gemeint sein könnten, die auf der Straße herumkriechen.
Ich ging wieder zurück und sah mir weiter die Ostervorstellung an. Ostern ist nicht gerade
mein Lieblingsfest, aber ausgerechnet kurz vor meiner Abreise hatte ich noch ein Osterei
verputzt, das Suzannes Mutter mir geschenkt hatte. Sie weiß einfach, dass mir Schokolade
wesentlich lieber ist als Religion. Und denken nicht die meisten an Schokolade, wenn sie
Ostern hören? Ostern scheint ein religiöser Feiertag zu sein, der erfunden wurde, um fette,
fresssüchtige Leute an die Kirche zu binden. Warum wir Ostern ausgerechnet mit Eiern fei-
ern, weiß ich allerdings nicht. Das ist schon komisch: Da wird Jesus gekreuzigt und verliert
sein Leben, und Jahre später zollen wir ihm dafür Respekt, indem wir ihm zu Ehren ein
Schokoei essen. Ein Ei mit Smarties drin. Werden eigentlich Überraschungseier das ganze
Jahr über verkauft, damit so richtig religiöse Menschen ganzjährig an Jesus denken kön-
nen?
Ich stellte mich an eine belebte Straßenecke und wartete darauf, dass irgendwas Span-
nendes passierte. Zwanzig Minuten später näherte sich eine größere Gruppe, in deren Mitte
ein Mann lief, der aussah wie Jesus und ein Kreuz auf dem Rücken trug und immer mal
wieder sanft ausgepeitscht wurde. Jamie zufolge gibt es Jahr für Jahr eine lange Warteliste
für die Rolle des Jesus. Ihn spielen zu dürfen, ist angeblich ein großes Privileg. Ich selbst
wollte schon damals in der Schule beim Krippenspiel unter keinen Umständen die Jesus-
rolle haben. Ich bekam sie allerdings auch gar nicht erst angeboten. Am Ende spielte ich
einen Schäfer und musste genau einen Satz sagen: »Wir kommen von weither.« Und dann
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