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trommelte ich noch zu »Was hat wohl der Esel gedacht?«, auch wenn eigentlich nur bei
»Die Heil'gen Drei Könige« hätte getrommelt werden sollen, aber ich konnte mich einfach
nicht bremsen. Außerdem war das mehr, als mein Kumpel Carl Grimshaw tun durfte: Sein
Part war, in dem Moment, als der Stern aufging, ein einziges Mal die Triangel zu schlagen.
Hier sieht man mal, was das Problem mit diesen überfüllten Innenstadtschulen ist: Es gibt
beim Krippenspiel nicht genügend Rollen für alle. Ich frage mich bis heute, warum Mrs.
Mathews das Weihnachtslied nicht einfach umgedichtet hat in »Die Heil'gen Sechs Köni-
ge«. Dann hätten mehr Kinder mitmachen können.
Ich lief ein Stück neben Jesus her, als er auf dem steilen Weg den Hügel hinauf mit dem
schweren Eichenkreuz auf dem Rücken plötzlich Probleme bekam. Ich konnte mir lebhaft
vorstellen, dass es damals vor vielen Jahren wirklich so gewesen sein könnte - von den Ta-
co- und Zuckerwatteständen mal abgesehen. Dann ließ Jesus auf einmal das Kreuz fallen.
Ich dachte zuerst, das gehöre zur Show, bis ich einen Sanitäter mit einer Tube Bepanthen
auf ihn zustürzen und sein Bein einreiben sah, was die ganze Wirkung natürlich ein wenig
trübte. Zu all dem spielte ein Mann im Kostüm eines Gefängniswächters eine Melodie auf
der Blockflöte - einem Instrument, das in meiner Vorstellung bislang immer nur von Vier-
jährigen gespielt wurde. Und allmählich ging mir das alles gewaltig auf die Nerven.
Irgendwann erreichte die Prozession ein Feld, auf dem die Kreuze aufgestellt und Jesus
und zwei weitere Typen gekreuzigt wurden. Natürlich nicht wirklich - obwohl Jamie be-
hauptete, dass sie den Darstellern bis in die späten 80er echte Nägel in Hände und Füße
gehämmert hätten. Wahrscheinlich kam dann aber irgendein Superkleber auf den Markt.
Kurz bevor wir weiterfuhren, wurde einer der beiden anderen Männer (keine Ahnung,
wen er darstellen sollte; dazu kenne ich die Geschichte nicht gut genug) vom Kreuz geholt
und in einen Krankenwagen verfrachtet. Nicht gerade ein friedlich-fröhliches Familienfest,
das Ganze. Vielleicht wäre das eine oder andere Schokoladenei der Stimmung zuträglich
gewesen.
Ziemlich spät am Abend kamen wir bei unserem Hotel an und gingen direkt ins Bett.
Mitten in der Nacht wachte ich auf, weil ich aufs Klo musste. (Grille bekommt mir wohl
nicht.) Nur um dann festzustellen, dass die Spülung nicht funktionierte. Der Schwimmer
war so verrutscht, dass der Spülkasten nicht mehr volllief. Hab's repariert. Auch damit
musste Michael Palin sich ganz sicher nicht rumschlagen. Dann entdeckte ich einen Zettel,
auf dem stand, dass man Klopapier in den Mülleimer und NICHT IN DIE TOILETTE werfen sol-
le. Vielleicht sollten wir das zu Hause auch einführen. Es würde bestimmt deutlich weniger
Betrugsfälle mit geklauten Identitäten geben, wenn die Betrüger sich nicht nur durch Müll-
tonnen voller Alt-, sondern auch voller Klopapier wühlen müssten.
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